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Die Hebamme

Die Hebamme

Titel: Die Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cantz Kerstin
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jedoch für die Zukunft nicht grundsätzlich abwegig. Caroline war noch ein gutes Stück von ihrem fünfzigsten Jahr entfernt, und wenn sie den Kopf gerade hielt, zeigte ihr Profil kaum eine Falte. Das Grau mischte sich unauffällig in ihr aschblondes Haar, und die grünen Augen waren noch nicht von hängenden Lidern beschattet. Letztlich war in allem zu bemerken, dass Lambert die Schönheit seiner Mutter verdankte.
    Sie fröstelte, als das schwarze Kleid von ihren Schultern fiel, während sie sich im Spiegel betrachtete. Das leichte Gewebe des Unterkleides umgab lose ihren Körper, wie es der Mode nach jetzt üblich war, und heute gestattete sie es sich, seine Umrisse etwas genauer anzuschauen. Natürlich waren die sechs Schwangerschaften nicht spurlos an ihr vorübergegangen. Ja, manchmal konnte sie es kaum mehr glauben, dass sie ihrem Mann sechs Kinder geboren hatte, von denen einzig Lambert am Leben geblieben war. Eine ihrer Töchter, Christina, verbrachte hoffnungsvolle vier Jahre auf dieser Erde, ein waches Kind, an dem sie ihre Freude hatten. Besonders ihr Vater, der sie abgöttisch liebte. Als das kleine Mädchen starb, machte Bertram nie wieder einen Versuch, seiner Frau beizuwohnen. Er sagte, dass er den Tod eines weiteren Kindes nicht mehr verkraften könne. Das hatte sie verstanden, denn sie fühlte ebenso. Sie konnte sich damit arrangieren, dass er das Interesse an ihr verlor und daran, an einem Leben außerhalb der Apotheke teilzunehmen. Aber sie verstand nicht, dass er es unterließ, sich um seinen Sohn zu kümmern, wie es nötig gewesen wäre, und irgendwann nahm sie es ihm auch übel.
    Vielleicht war Lambert deshalb ein so weicher Mensch geworden, der sich mit seinen Büchern in eine schwärmerische Welt fortträumte. Es hatte sie entsetzt, dass er eine Zeit lang sogar literarische Zirkel aufsuchte, die im Dunstkreis einer Gruppe junger Literaten stattfanden. Er bewunderte diese Leute in nahezu törichter Ergebenheit und sprach von einem Sog sich gleichender Empfindungen!
    Erst im Nachhinein hatte sie ihren Frieden damit gemacht, weil Lambert dort Ulrike Herbst begegnete und bald darauf eine Einladung ins Haus des Universitätsapothekers gefolgt war. Damit hatte ihr das Schicksal einen ungeheuerlichen Trumpf zugespielt, so sah sie es heute. Denn auch wenn sie schon Tage vor dem ersten Besuch bei der Familie Herbst fieberhaft alle sich eröffnenden Möglichkeiten durchspielte, musste sie schließlich gar nicht viel tun. Therese tat ihr den Gefallen und verliebte sich umgehend in Lambert, dessen äußere und innere Schönheit sie gleichermaßen betörte. Ulrike Herbst hatte Caroline in einem späteren Gespräch unter Müttern die Gefühle ihrer jüngsten Tochter in herzlicher Offenheit geschildert. So war es ihr erspart geblieben, sich im Haus des Universitätsapothekers jemals als Bittstellerin zu fühlen. Martin Herbst brachte ihren Ideen zur Ergänzung ihrer Geschäfte ein deutliches Interesse entgegen.
    Sie sah sich ihre Pläne in einer Leichtigkeit erfüllen, die einen argwöhnischen Menschen möglicherweise unruhig gemacht hätte. Doch Caroline war nicht danach, an ihrem Glück zu zweifeln. Mit dem heutigen Abend hatten sich für sie alle Unwägbarkeiten in Luft aufgelöst. Sie schlüpfte unter ihr Federbett, schob die kupferne Bettflasche beiseite, damit sie sich die Füße nicht verbrannte, und schlief sofort ein. Nicht einmal das Licht hatte Caroline gelöscht. Es würde lange vor dem Anbruch des nächsten Tages heruntergebrannt sein, ohne sie zu wecken. Sie fühlte sich vollkommen sicher.

    In keinem der Fenster war Licht zu sehen, doch das hatte nichts zu bedeuten. Es war ein anderes Zeichen, das Lambert Auskunft geben würde: der Schlüssel. Als sollte ihm das, was er herauszufinden hatte, nicht zu leicht gemacht werden, mussten seine Finger an den nassen Ranken der Kletterrose vorbei, die das schmale Haus in der Hofstatt überwucherte. Er fuhr über erste winzige Blattknospen, um dann auf dem kalten Stein zu ertasten, ob der Schlüssel in der Mauernische vor dem Fenster lag. Es war schon vorgekommen, dass seine aufgeregt herumfahrenden Hände ihn vom Fenstersims gestoßen hatten und er im dornigen Rosenbusch danach suchen musste, wobei ihm in einer Winternacht frisch gefallener Schnee die Sache zusätzlich erschwert hatte.
    Mitunter, wenn er sich hier vor dem Fenster zu schaffen machte, meinte er den leicht spöttischen Blick auf sich zu spüren, den er gelernt hatte zu erdulden: Elgins

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