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Die Hebamme

Die Hebamme

Titel: Die Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cantz Kerstin
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Feuer. Schau du nach der Frau. Warum ist Doktor Heuser nicht da? Er ist doch sonst immer da. Er hat sogar ein Bett in der Kammer stehen, das weiß ich.«
    Gesa wusste es auch. In einer ihrer schlaflosen Nächte hatte sie am Fenster gestanden und zugesehen, wie das Licht aus der Dachstube ein helles Netz über die Äste der großen Trauerweide warf. Sie war auf den Gang hinausgetreten, zu den wenigen Stufen, die in das einzige Zimmerchen des Dachgeschosses führten. Die Tür stand offen, von unten sah sie die Ecke einer einfachen Liege und in ihrer Nähe eine Bewegung, vielleicht nur einen Schatten. Es hatte sie beruhigt, ihn dort zu wissen, mehr nicht. Sie war zurück in ihr Bett geschlüpft und eingeschlafen, ohne wie sonst die flache Leinentasche zu berühren, die unter ihrem Kopfkissen lag.
    »Gesa!«
    »Ja.« Sie hörte wieder das Schnarchen von Anna Textor und das leise Stöhnen der Frau. Sie hörte, dass Lottes Stimme unsicher wurde.
    »Wir sollten hier nicht mit ihr allein sein, oder?« Lotte wandte sich wieder dem Ofen zu, und Gesa stand auf.
    Die Frau starrte zu ihnen hinüber, sie hatte sich vorgebeugt, die Beine gespreizt, die Hände neben sich in die Decken gekrallt.
    Steh nicht rum, Kind! Red mit ihr. Was ist nur los mit dir?
    Mit einem Knacken kam das Feuer in Gang.
    »Jetzt wird es besser«, sagte Gesa. »Können Sie sich hinlegen, Franziska Sulzmann?« Sie beugte sich zu ihr, löste die verkrampften Finger aus der Decke. Sie nahm den Strohsack fort und legte ihn an das Fußende, sie half ihr, eine bequeme Haltung zu finden, und öffnete den Rockbund des Kleides.
    »Ist es warm genug?« Die Frau nickte.
    Die Füße waren geschwollen und hatten blutige Stellen, dort wo die Holzschuhe sie aufgerieben hatten. Sie müsste sie waschen, und am besten wäre es, sie mit einem Umschlag aus Schafgarbe zu versorgen. Waschen musste sie die Frau auf jeden Fall, bevor der Professor …
    Ihre Beine zittern. Sorge dafür, dass die Frau ruhig ist. Dafür bist du zuständig.
    Die Beine waren mit Kratzern übersät, frische und längst verheilte, feine weiße Linien, die sich von den Knöcheln zu den Knien hinaufzogen, Spuren von vielen Jahren Arbeit auf dem Land.
    »Sie haben schon Kinder?«, fragte Gesa.
    »Gesa«, zischte Lotte, »das ist ja alles gut und schön. Aber was machen wir jetzt? Soll ich versuchen, die Textor aus dem Bett zu holen? Ich glaub, das macht wenig Sinn. Am besten, wir schicken Pauli zum Professor. Sie ist doch schon in den Wehen.«
    »Nein!« Das Zittern in den Beinen der Frau verstärkte sich unter Gesas Händen. »Das sind keine Wehen«, sagte sie mit flatternder Stimme. »Ich weiß doch, was Wehen sind. Das sind keine.«
    Wie kannst du die rechten Wehen von unrechten unterscheiden?
    »Ich versuch, die Textor wach zu kriegen.« Hinter Lotte knallte die Tür zu, und Franziska Sulzmann begann zu flüstern.
    »Bitte, Jungfer, müssen Sie einmal nicht die Ärzte rufen … Ich hab Angst, ich …«
    Manchmal kannst du die Wehen eher ertasten als eine kreißende Frau.
    »Darf ich Sie untersuchen, Franziska? Ist Ihnen das recht?«
    »Ja, wenn Sie das machen, ist es gut. Die Leute erzählen so üble Sachen, aber ich …«
    Eine furchtsame Frau musst du besonders vorsichtig untersuchen. Nimm dich in Acht. Sind deine Hände warm und ruhig?
    »Ich hatte schon eins, das hat nicht lange gelebt«, flüsterte die Frau. »Ich wär selbst fast dran gestorben. Es war eine schlimme Geburt … Ich …«
    Kommt eine Wehe, wenn du bei der Frau bist, darfst du den Finger nicht wegnehmen. Halte den Finger zwischen dem Muttermund und vor dem Wasser stille. Sobald die Wehe kommt, wird das Wasser hart und dringt zwischen den Muttermund. Wenn sie nachlässt, wird es weich, und du weißt …
    »Was machst du da eigentlich?«, hörte sie Lotte fragen, und dann hatte sie ihren Atem am Ohr. »Es ist uns doch verboten …«, wisperte sie.
    »Was ist mit Frau Textor?«
    Lotte richtete sich auf und zog die Augenbrauen hoch.
    »Was glaubst du wohl?«
    Gesa glättete den Rock über Franziskas Beine und ließ ihre Hand dort liegen.
    »Weck Pauli«, sagte sie leise.

    Das Essen war einfach, aber sehr gut gewesen, und das bescheidene Haus des Professors war mit seiner schlichten Ausstattung überraschend behaglich.
    Clemens Heuser war durchaus überrascht. Seine Verwunderung mochte allerdings zu einem guten Teil daher rühren, dass er selten gezielt etwas dafür tat, sich wohl zu fühlen oder etwas um seiner selbst willen zu

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