Die Hebamme
betrachtete es als ein Geschenk, dass sie zur Patin gewählt wurde, und Malvine hatte es durchaus so gemeint.
»Ein erster Schritt in deine spätere Verantwortung als Mutter«, hatte sie gesagt. »Und es soll dir Glück bringen. Du sollst wissen, dass es nichts gibt, was du fürchten musst. Jedenfalls nicht an der Seite eines Mannes wie Lambert Fessler.«
Therese lächelte, als sie an die Worte ihrer Freundin dachte. Schließlich kannte Malvine ihn nur vom Ansehen und konnte kaum wissen, wie Recht sie hatte. Aber sie musste eine Ahnung davon gehabt haben, wie sehr die Taufzeremonie ihre Freundin berühren würde. Was es bedeutete, das Kind aus den Armen der Hebamme entgegenzunehmen, unter der stolzen Beobachtung ihrer Eltern, bei denen heute sicher eine verständliche Vorfreude ausgelöst worden war. Das war ein Moment gewesen, in dem Therese ihr Glück kaum fassen konnte, und noch jetzt wünschte sie, Lambert hätte sie so sehen können.
Es hatte auch einen Augenblick sinnloser Angst gegeben in der Kirche. Die plötzliche Befürchtung, sie könne das Kind fallen lassen, hatte eine Sekunde des Zögerns ausgelöst, und sie fragte sich, ob das jemandem aufgefallen war. Die Angst war sofort gewichen, als die Gottschalkin einen Schritt näher getreten war und ihr den Jungen in die Arme gelegt hatte. Malvine sprach nur gut von ihr.
Bald würde sie mitreden können. Vielleicht schon im kommenden Jahr würde sie sich den Händen dieser Frau anvertrauen, denn was Lambert nach ihrer Vermählung in Aussicht stellte, würde wohl kaum ohne Ergebnis bleiben.
Elgin und das Dienstmädchen Bettina begegneten sich am Nachmittag im unteren Flur des Hauses. Elgin war soeben die Flucht vor den Frauen gelungen, von denen sie fast alle kannte und schätzte und die gerade ihre Geduld strapaziert hatten. Sie nahm an, dass sie es besonders gut mit ihr meinten.
Malvine Homberg hatte die weiblichen Gäste hinaus in den Garten gebeten, als die Herren sich anschickten, ihre Pfeifen zu stopfen. Als Elgin hinzukam, um sich zu verabschieden, war das Komplott offenbar schon geschmiedet: Einhellig hoben sie dazu an, es sei an der Zeit, ihre Garderobe zu verändern. Selten hatte ein Anliegen Elgin mehr verwirrt. Während sie verblüfft schwieg, erzählte Malvine bereits von einer Schneiderin, die sich in Marburg gegen die Zunftmeister durchgesetzt und ihre eigene Werkstatt eröffnet hatte.
»Man erlaubte es ihr nur, weil sie ledig ist, damit sie ein Auskommen hat und sie den alten Schneidermeister, ihren Vater, unterstützen kann. Sie darf sogar Marburger Töchter im Nähen unterrichten, natürlich nur für den Hausgebrauch – was sagen Sie dazu?«
»Ich finde das erfreulich für die Frau, und insgesamt scheint mir das eine gute Entwicklung zu sein«, sagte Elgin.
»Ja, ja, ein Gewinn, durchaus.« Malvine machte eine unbestimmte Geste, und ihr Blick wich in einen Forsythienbusch aus. »Dennoch würde ich es weder mir noch meinen Töchtern wünschen, jemals ein von mir selbst angefertigtes Kleid auf dem Leib tragen zu müssen, Gott behüte! Die Kunstfertigkeit dieser Person wegen engstirniger Bestimmungen missen zu müssen, hätte ich allerdings als bitteren Verlust empfunden. Und damit komme ich auf den Punkt.«
Die anderen Frauen hatten sich im Halbrund angeordnet und gaben aufmunternde Laute von sich, während sie darauf achteten, keine der im Gras blühenden Narzissen niederzutreten.
»Bei allem Respekt, Gottschalkin«, setzte Malvine an, »und bei dem, was Sie mir in meinen schwersten Stunden haben angedeihen lassen – ich möchte Sie eine Freundin nennen.«
Dies spätestens war der Moment, in dem Elgin ungeduldig wurde und ihr höfliches Lächeln anstrengend. Doch Malvine war längst nicht fertig. Sie führte ihre kleine Rede damit fort, dass Elgins Toilette den Namen kaum verdiene, überdies traurig wirke und, was ihr doch sicher am ehesten einleuchten werde, unbequem war.
Eine Frau trüge keine Roben mehr oder Röcke, deren Bund die Körpermitte beenge. Man kleide sich längst in Chemisen. Elgin konnte vor sich sehen, was gemeint war. Diese zarten, ärmellosen Gebilde, hoch unter dem Busen gegürtet wie eine Tunika, manche mit Schleppe, andere mit kurzen Samtjäckchen oder Schals ausgestattet, die Dekolletees geschmückt mit weiteren hauchdünnen gerafften Tüchern und Schärpen. Elgin wurde bewusst, wie lange es her war, dass sie sich ein Kleid hatte anfertigen lassen. Also schenkte sie der Sache – wenn auch mit leichtem
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