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Die Hebamme

Die Hebamme

Titel: Die Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cantz Kerstin
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Sehen Sie, ich habe hier eine Reihe von Skizzen, die sich auf einer Tafel zusammenfassen ließen, um das Wachsen, die Veränderung der Gestalt darzustellen.«
    Elgin wandte sich den Zeichnungen zu, betrachtete sie, nahm sie in die Hand, hielt sie ins Tageslicht, das durch die Tür hineinfiel, und wieder beobachtete Büttner sie dabei.
    »Im Übrigen habe ich dem Professor nichts über meinen Auftraggeber gesagt; ich war mir nicht sicher …«
    Überrascht blickte sie auf, entdeckte Beunruhigung in seinem hageren Gesicht, oder zumindest etwas, das ihm Röte in die Wangen trieb.
    »Aber Büttner, das hätten Sie ruhig tun können. Ich pflege keine Animositäten Ärzten gegenüber, ich bin von einem großgezogen und von einem anderen ausgebildet worden. Sie müssen Ihre Arbeit für mein Buch nicht als Geheimsache behandeln. Zumal Sie es in einer solchen Weise bereichern. Wie Sie den Zugang suchen zu diesem Gebiet, das Ihnen bislang vollkommen fremd war, und Ihre Begeisterung dafür – das ist wie ein unerwartetes Geschenk für mich.«
    »Nun, ich denke, dass meine Frau einen nicht unerheblichen Anteil daran hat.«
    »Ihre Frau?« Sie sah Büttner dabei zu, wie er seine geschwärzten Finger mit einem ebenso schwarzen Lappen sinnlos bearbeitete, und fragte sich, ob er ihr jemals gesagt hatte, dass er verheiratet war. Ob sie es womöglich überhört, vergessen oder schlichtweg angenommen hatte, dass ein Mann wie er mit nichts mehr als seiner Arbeit verbunden war?
    »Haben Sie noch einen Moment Zeit? Sie wartet oben auf uns.«
     
    Noch überraschter war Elgin, in Agnes Büttner eine außerordentlich junge Frau vorzufinden, die oben – in einem kleinen Wohnzimmer vor dem geöffneten Fenster – grünes Porzellan auf einer roten Tischdecke anordnete. Büttner liebte sie, daran bestand kein Zweifel, und Elgin fasste mühelos Sympathie für diese weißhäutige Person, als sie sagte: »Ich versichere Ihnen, dieser Mann ist überhaupt nur auf mich aufmerksam geworden, weil mein Haar wie eine seiner Kupferplatten leuchtet, und ich vermute, Sie haben heute zum ersten Mal von meiner Existenz in Büttners Leben gehört, nicht wahr?«
    Das machte nichts, fuhr Agnes fort, und auch ihre grünen Augen sagten nichts anderes. Er hätte schließlich erst ein Jahr Zeit gehabt, sich daran zu gewöhnen, dass er verheiratet sei, sichtlich zu wenig für einen alten Hagestolz, um den Ehestand glatt über die Lippen kommen zu lassen. Büttner verschwand wieder, noch bevor seine Frau den Kuchen angeschnitten hatte, und Elgin erfuhr, dass Agnes schwanger war.
     
    An Lene Schindler dachte Elgin erst wieder, als sie sich wenig später auf den Weg machte, die Stadt zu verlassen, und an der Elisabethkirche vorbeilief. Im Schatten des gewaltigen Gotteshauses wünschte sie plötzlich, sie hätte Klarheit erbitten können, so etwas wie einen eindeutigen Hinweis. In letzter Zeit empfand sie zuweilen eine unerklärliche Enge.
    Homberg hatte ihr vorgeworfen, sie sei vermessen. Womöglich traf das zu. Doch das Mädchen würde freikommen, Collmann wollte es sie wissen lassen – konnte das nicht alles sein, was von Belang war?
    Während sie die Kirche hinter sich zurückließ, stießen Elgin zum wiederholten Mal die Worte auf, die der Richter an sie gerichtet hatte – nach dem Verhör, unter vier Augen.
    »Was ich am wenigsten verstehen kann, Gottschalkin, ist, warum Sie die vertrauliche Atmosphäre unseres Gesprächs nach der Geburt meines Sohnes nicht genutzt haben? Während ich Ihnen berichtete, was ich erfahren hatte, ließen Sie mich in Unkenntnis darüber, dass Sie das Mädchen kannten. Auch in den Tagen danach haben Sie nicht die Gelegenheit genutzt, sich darüber mitzuteilen. Ist Ihnen nie der Gedanke gekommen, dass ich es Ihnen selbst überlassen wollte, sich an mich zu wenden? Dass es ein Zeichen meines Vertrauens in Sie war, Ihnen dafür bis zur Taufe meines Sohnes Zeit zu geben? Meine Enttäuschung darüber, dass Sie es vorzogen, Ihr Wissen bis zum Verhör zurückzuhalten, muss Ihnen nichts bedeuten. Ob Sie allerdings mit Ihrem Handeln dem Wohl der jungen Mutter gedient haben, wie es Ihr Ansinnen war, das müssen Sie mit Ihrem Gewissen abmachen.«
    Dass sie ihm nichts zu entgegnen gewusst hatte, nahm er mit Bedauern zur Kenntnis. Und Elgin hatte feststellen müssen, dass ihr seine Enttäuschung sehr wohl etwas ausmachte. Hinzu kam, dass der Richter nichts gegen sie unternommen hatte, obwohl es in seiner Hand lag.
    Wenn auch verhalten, so war

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