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Die Hebamme

Die Hebamme

Titel: Die Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cantz Kerstin
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mehr miterleben, denn zuvor …«
    »Die Universitätsapotheke«, sagte Elgin, »sie ist in der Barfüßerstraße.«
    »Oh«, erwiderte Gesa und setzte sich Richtung Tür in Bewegung, »es tut mir Leid, das wusste ich nicht. Ach wie dumm von mir.«
    »Aber nein, mein Kind. Im Grunde macht das gar keinen Unterschied, glauben Sie mir«, sagte Caroline Fessler und folgte Gesa, fast sah es aus, als wolle sie die Tür zuhalten. »Die Universitätsapotheke und diese, sie sind schon jetzt so gut wie eins, ja wirklich, sehr bald werden wir familiär verbunden sein.«
    »Mutter, bitte!« Die Stimme klang außerordentlich gequält. »Würdest du nun die junge Frau ihre Geschäfte …«
    »Ach je, nun ist es ihm wieder peinlich, meinem lieben Sohn, dass ich davon zu Fremden spreche. Dabei heiratet er doch schon in wenigen Wochen! Sagen Sie das ruhig Ihrem Herrn Professor, wie war noch gleich sein Name, Kilian? Ich werde die Familie Herbst fragen, ob er auf der Gästeliste steht. Bestimmt steht er drauf, da bin ich mir eigentlich sicher. Die halbe Stadt ist eingeladen, jedenfalls alles, was Rang und Namen hat.«
    »Kommen Sie«, die tiefe Stimme war direkt hinter Gesa, und eine Hand legte sich auf ihren Arm, »ich zeige Ihnen, wo die Universitätsapotheke ist. Sonst wundert man sich noch, wo Sie so lange bleiben, nicht?«
    Für einen Moment blieb Caroline Fessler stumm, als sich die Tür hinter den Frauen schloss.
    »Was fällt ihr ein, sich da einzumischen?«, fragte sie und sah ihnen nach, solange der Blick aus den Fenstern der Apotheke das zuließ. »Wahrscheinlich ist sie beleidigt, weil sie keine Einladung zur Hochzeit bekommen hat. Was meinst du …«, sie wandte sich ihrem Sohn zu, der aussah, als hätte ihn ein plötzliches Fieber ergriffen, »… ob wir das nachholen sollten?«
     
    »Ich danke Ihnen«, sagte Gesa, während sie den Marktplatz überquerten. »Sie haben mir sehr geholfen.«
    Lächelnd betrachtete Elgin das junge Gesicht neben sich, in dem eine steile Falte zwischen den Augenbrauen eine noch andauernde Bestürzung anzeigte.
    »Sie scheinen im Umgang mit dieser Sorte Frau nicht viel Erfahrung zu haben.«
    Gesa erwiderte das Lächeln. Es überraschte sie, wie unbefangen sie sich an der Seite dieser fremden Frau fühlte, und sie wünschte, der Weg zur Universitätsapotheke könnte noch sehr weit sein.
    »Welche Sorte ist das?«, fragte sie. »Eine gefährliche?«
    »Eine gefräßige, würde ich sagen. Klatsch ist ihre Lieblingsspeise. Und die schönste Beute ist eine Neuigkeit, mit der sie anderen ihrer Art den Mund wässrig machen können. Man muss verteufelt aufpassen, ihnen nicht auf den Leim zu gehen. Scheinbar arglos und voller Anteilnahme, haben sie im Handumdrehen Dinge aus Ihnen herausgeholt, die Sie niemals jemandem mitteilen wollten.«
    »Liebe Güte, ja«, sagte Gesa, »diese Frauen gibt es wohl überall, auch da, wo ich herkomme. Aber an meiner Tante haben sie sich die Zähne ausgebissen. Eine Hebamme muss Verschwiegenheit denen geloben, die vor der Welt etwas zu verbergen haben. Allerdings schwieg sie ohnehin recht gern.«
    »Sie scheint eine kluge Frau sein, Ihre Tante.«
    »Sie ist im Winter gestorben. Deshalb bin ich nach Marburg gekommen, um … die Prüfung zu abzulegen. Das muss nun bald sein, hoffentlich. Die Frauen im Dorf haben bestimmt, dass ich ihre Nachfolgerin sein soll, und sie warten auf mich.«
    »Sie haben sicher eine gute Wahl getroffen«, sagte Elgin freundlich. »Sehen Sie, wir sind jetzt auf der Barfüßerstraße. Noch ein Stück weiter abwärts, und Sie werden die Apotheke leicht entdecken. Und diesmal ist es ohne Zweifel die richtige.«
    Noch einmal berührte sie kaum merklich Gesas Arm und wirkte mit einem Mal abwesend.
    »Ich muss Sie hier verlassen. Für Ihre Prüfung wünsche ich Ihnen alles Gute. Leben Sie wohl.«
    Sie war bereits die ersten Stufen einer Treppe hinabgestiegen, die zur Hofstatt hinunterführte, als Gesa langsam weiterging. Enttäuschung schnürte ihr den Hals zu und ließ sie schlucken. Plötzlich meinte sie, an all dem Ungesagten ersticken zu müssen. Wie gern hätte sie weiter mit dieser Frau gesprochen. Ihr hätte sie jede Frage beantwortet. Doch die Frau, die Marburgs angesehenste Hebamme war, hatte nicht einmal ihren Namen wissen wollen.
    Noch immer meinte sie die Berührung ihrer Hand auf dem Arm zu spüren.

Sieben
    ERNTEMOND
    Nichts als das Kratzen des Federkiels auf dem Papier war zu hören, unterbrochen von einem hellen Ton, mit dem die Feder

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