Die Hebamme
auf den Grund des Tintenfasses stieß und dann an seinem Rand abgeklopft wurde.
Warum gewisse Pflanzen sich eher mit Blüten krönen als andere, wissen wir ebenso wenig, wie wir die Frage nach den Ursachen der monatlichen Reinigung zu beantworten vermögen. Der Grund für die regelmäßige Wiederholung des Blutflusses ist nicht besser bekannt. Die Wissenschaft schreibt dem Blute die Eigenschaft zu, jene Höhlen im weiblichen Körper vorzubereiten, mit denen die feinen Wurzeln der Plazenta in der Schwangerschaft ihre Nahrung finden.
Sie richtete sich auf, dehnte den Rücken, beugte den Hals abwechselnd von Schulter zu Schulter. Ohne die Feder aus der Hand zu legen, fuhr sie mit der Linken am Nacken entlang, wo sich Schweiß unter dem dicken Haarknoten gesammelt hatte und nun auf der Haut zwickte. Mit einem Leintuch tupfte sie sich über die Stirn und setzte ihre Niederschrift fort.
Welches nun auch immer die Ursache für die Blutung sei, ihr Einfluss auf die Fruchtbarkeit ist unbestritten. Denn eine Frau kann nur Kinder empfangen, solange die monatliche Reinigung in ihrem Leben ist.
Ein Schweißtropfen hatte sich von ihrer Stirn gelöst und fiel auf das Geschriebene nieder. Als sie aufstand, klebte das Unterkleid am Körper fest; es war alles, was sie trug, nichts als dieses dünne Gewebe, das ihr bis auf die nackten Füße hinabfiel. Und doch war es zu heiß. Sie beugte sich über die Waschschüssel, benetzte Gesicht und Nacken mit dem Wasser, das längst nicht mehr kalt genug war, um sie zu erfrischen, und schlang sich das Leintuch um das Haar, damit es sie nicht länger zum Schwitzen brachte.
Der Sommer holte in den letzten Tagen des August nach, was er zuvor versäumt hatte. Das Fenster hielt sie untertags für gewöhnlich geschlossen, und als sie es jetzt öffnete, schlug ihr trockene Hitze entgegen. Im ersten Moment, noch während sie sich von der Mittagssonne geblendet abwandte, glaubte sie an eine Täuschung durch die plötzliche Helligkeit. Doch als sie einen Schritt zurück ins Zimmer getreten war und die Augen wieder öffnete, stand die Gestalt immer noch da.
Marthe hatte keinen Ton aus dem Mädchen herausgebracht, sagte sie. Schon eine geschlagene Stunde stand sie vor dem Haus und starrte zum Fenster hinauf. Marthe würde es nicht einfallen, ihre Dienstherrin zu stören, wenn es nicht dringend notwendig war. Und solange diese Person das Maul nicht aufbrachte und auch sonst durch nichts erkennen ließ, dass es eine Dringlichkeit geben könnte, fühlte Marthe sich nicht zum Handeln aufgefordert. Drei Versuche, das Mädchen zum Reden zu bringen, hatten gereicht, um sie davon Abstand nehmen zu lassen. Keine Frau würde wohl eine taubstumme Botin schicken, wenn sie in den Wehen lag oder sich in anderen Nöten befand.
Auch Elgin gegenüber blieb Lene Schindler stumm. Eine kleine Regung meinte sie in den blauen Augen zu sehen, doch zu schnell war der Blick wieder erloschen, als dass sie es hätte beschwören können. Und dann, während Elgin hilflos vor ihr stand, während sich die ersten Rinnsale unter dem hastig übergeworfenen Kleid in Bewegung setzten, um sie erneut in Schweiß zu baden, drehte sich Lene wortlos um. Sie lief einige Schritte, blieb stehen, wandte den Kopf, als würde sie auf etwas lauschen, und wartete.
»Meine Tasche, Marthe!«, rief Elgin. »Hol mir meine Tasche, beeil dich!«
Sie wagte es nicht, das Mädchen aus den Augen zu lassen, und schimpfte im Stillen auf Marthe, die viel zu lange brauchte und ihr den Strohhut aufdrängte. Doch schon nach wenigen Schritten war sie dankbar dafür.
Es war ein merkwürdiger, schneller Gang durch die Stadt, wobei Lene die weniger belebten Gassen wählte. Fast hatte sie Mühe, dem Mädchen zu folgen. Während sie den Blick auf den Rücken vor sich geheftet hielt, fiel ihr auf, dass es eines ihrer abgelegten Kleider war, das lose an dem dünnen Körper hing und mit den Schürzenbändern um die Mitte zusammengezurrt war. Während ihr der Mund trocken wurde und das Blut immer lauter in den Schläfen pochte, gab Elgin es auf, sich zu fragen, wohin Lene sie bringen würde.
Das Haus des Töpfers war schon von weitem zu erkennen. Rauchschwaden zogen träge über die wenigen benachbarten Dächer davon. Lene führte sie durch den Flur, der dunkel war, aber keineswegs kühl. Die Hitze des Brennofens erwärmte die Luft hier in ebenso atemraubender Weise, wie es draußen derzeit die Sonne tat.
In der Küche füllte Lene aus einem steinernen Krug
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