Die Heidehexe - Historischer Roman
gut.“
Fernando hatte in der Zwischenzeit Feuerblut und Herzgestein vor Isabellas Gefährt gespannt, und nun folgte das Abschiednehmen, das sich über eine Stunde hinzog. Mit Tränen in den Augen bestieg die junge Mutter den Kutschbock, wandte sich zu den Winkenden um und rief: „Pavor, willst wenigstens du mich begleiten?“
„Ich begleite dich“, antwortete er und setzte sich neben sie.
Die kurze Strecke ließ Isabella die Pferde im Schritt gehen, fürchtete sie doch das, was auf sie zukam, ordnete ihre Gedanken.
Um das Lager schlichen spanische Soldaten. Als sie die Zigeunerin gewahrten, lachten sie und brüllten hinter ihr her: „Hola, guapa gitana! Follar?“
„Tonto!“, antwortete Isabella und beeilte sich, außer Reichweite der üblen Gesellen zu gelangen.
Sie sah, dass brennende Fackeln den Innenhof des Lagers schmückten, Trompeter und Trommler Tanzmusik spielten, Pärchen sich dazu im Takt drehten.
Und plötzlich setzte ihr Herzschlag aus. Wie hypnotisiert starrte sie auf das Szenario, unfähig, sich zu rühren. Minutenlang glaubte sie, böse Mächte würden ihren Augen einen grausamen Streich spielen. „Ein Trugbild“, schrie sie endlich gegen den Lärm, der sie umgab, an, kniff sich in den Arm, um zu prüfen, ob sie sich wieder einmal in einem Albtraum befände.
Kein Albtraum!
Inmitten der Verliebten tanzte ihr Gott Balder. Barbara hatte sich so dicht an ihn geschmiegt, dass kein Lindenblatt mehr zwischen die beiden passte, reckte sich auf Zehenspitzen dem Mund des Helden entgegen. Er beugte sich zu dem Mädchen hinab, und ihre Lippen verschmolzen zu einem glühenden Kuss.
Isabella konnte die aufgeheizte Spannung, die von ihnen ausströmte, förmlich schmecken. Ihre Beine bewegten sich ohne ihr Zutun voran. Leichenblass irrte sie über die Tanzfläche.
„Sagt, dass das nicht wahr ist“, flüsterte sie. Keine Antwort. Wenn sie es bisher nicht hatte glauben wollen, jetzt erkannte sie die Wahrheit. Wie ein Blitz schlug sie in ihre Seele ein: die Bitternis der Realität.
Stirb, befahl sie sich selbst. Stirb und flüchte aus dieser Welt. Aber sie starb nicht, sondern sah das Siegeszeichen in den Augen ihrer Freundin strahlen. Und hörte ihr Lachen. Ihr spöttisches, herablassendes Lachen.
„So also dankst du es mir, dass ich dich einst vo rm Scheiterhaufen rettete?“, wisperte Isabella und betrachtete ausgiebig Barbaras gewölbten Bauch.
Die Kleine registrierte den verächtlichen Blick.
„Ja, ich bin schwanger. Na und? Wir lieben einander. Victor hat sich für mich entschieden. So was kommt vor. Seine Wege sind längst nicht mehr die deinen.“
„Ist das so?“
„Tut mir leid für dich, Isabella. Ehrlich. Sei uns ruhig böse. Wir können nichts dafür, dass uns die Götter zu Seelenverwandten verschweißten. Sag deinem Lebenstraum Ade. Mitunter bleiben Liebesschwüre und Treuegelübde nur Floskeln. Worthülsen ohne Inhalt, die der Wind mit sich nimmt. Bei uns ist das anders. Wir sind füreinander bestimmt.“
„Schweig still“, sagte die Zigeunerin. „Ich will es von meinem Mann hören, dass er dich liebt, nicht von dir.“
Victor schaute zu Boden, mied Isabellas Anblick.
„Antworte mir, Balder. Bin ich noch deine Skögull? Oder ist Barbara jetzt die Walküre an deiner Seite? Hast du unser Glück ihretwegen verraten?“
Sie betrachtete ihn unverhohlen. Sein Gesicht, seine Gestalt . Ihre große Liebe, zum Greifen nahe und doch unerreichbar. Verächtlich schüttelte sie die luziferrote Mähne. Spöttisch verzog sich der fein geschwungene Mund.
„Ist es das, was du dir unter Treue vorstellst, mein göttlicher Held? Hast mich, kaum dass ich den Rücke n kehrte, gegen die Hübschlerin eingetauscht. Das wird dir noch leidtun, glaub mir. Nie wieder wirst du mich nackt für dich tanzen sehen. Nie wieder meine Haut unter deinem erregten Glied spüren, um in grenzenlose Seligkeit zu stoßen.“
Barbara kicherte gönnerhaft . „Was fällt dir ein, Isabella? Meinst du, ich könnte ihn nicht glücklich machen? Da irrst du gewaltig. Wir kennen andere Liebesspiele als du. Hart und kämpferisch wie der Krieg, in dem wir uns befinden. Ich habe sie ihm beigebracht. Und sie gefallen uns besser, stimmt’s Victor?“
Isabella würdigte sie keines Blickes, wandte sich nochmals an ihren Gatten. „V orbei ist unser Übermut aus sprudelnder Wollust, Gier und Verlangen. Vorbei die Verlockung, zusammen in die lodernden Abgründe der Liebe zu stürzen. Nimmermehr kann dein
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