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Die Heidehexe - Historischer Roman

Die Heidehexe - Historischer Roman

Titel: Die Heidehexe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gloria Frost
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erwachte auch Alwin, sodass Victor eine Antwort erspart blieb, denn kaum begriff sein Bruder, wo er sich befand, stimmte er erneut bitterliches Weinen an.
    Der Vater streichelte ihm die Wangen und sagte: „Lasst uns den Herrensalon aufsuchen. Ich möchte nicht, dass eure Mutter meine Beichte vernimmt.“
    Sie ist tot und kann Euch nicht mehr hören, wollte Victor ihm zuraunen, verkniff es sich lieber und schlurfte hinter Vater und Bruder her.
    Dienstboten zündeten Kerzen an, platzierten eine Karaffe Wein und drei mit Jagdmotiven bemalte Trinkbecher auf dem Tisch.
    Als sie sich gesetzt hatten, hub der Vater mit  nuschelnder Stimme zu sprechen an:
    „Ich will es kurz machen, euch nicht mit ellenlangen Geschichten langweilen, muss aber meine Seele von dem Druck, der auf ihr lastet, befreien, bevor ich ebenfalls in die ewigen Jagdgründe eingehe. Zudem bin ich euch eine Erklärung für die Verfolgung Rubinas schuldig. So gestehe ich hier und heute, dass ihr einen Halbbruder habt. Da guckt ihr, wie? Und ich werde sagen, um wen es sich handelt. Der geistesschwache Bernhard, Erstgeborener der Hebamme, ist mein leiblicher Sohn. Ja, ich habe gesündigt, sowohl an Rubina als auch an eurer Mutter Katharina. Die Kräuterkundige war meine große Liebe. Jeder wollte sie erobern, denn sie war schön wie ein Stern am Himmelszelt. Mir hat sie ihre Unschuld geschenkt. Fünf Jahre waren wir ein Paar. Fünf Jahre, die ich als die schönsten meines Lebens bezeichne. Wir trafen uns heimlich an verschwiegenen Orten, eine Hebamme erschien nicht standesgemäß für den Grafensohn. Aber wir waren so jung und verliebt, dass wir nicht an die Zukunft dachten. Das Glück wohnte bei uns und deckte uns mit einer Decke aus Seligkeit zu. Ich verwöhnte sie mit dem teuersten und edelsten Schmuck, den die Goldschmiede anzufertigen in der Lage waren. Sie schenkte mir dafür die blauen Perlen des Lebens, wie sie die Kette, die sie von ihrer Mutter, der Zigeunerfürstin, als Mitgift bekommen hatte, nannte. Ich hielt es für Aberglauben, wenn sie mir erzählte, dass mich niemals ein schweres Unglück oder Gebrechen heimsuchen könnte, solange ich im Besitz jener Kostbarkeiten wäre, versteckte sie aber trotzdem in einer verschlossenen Schatulle, die ich in die Wand meines damaligen Jugendzimmers einmauerte und deren Schlüssel ich bis auf den heutigen Tag an einem Goldband um den Hals trage. Meine Eltern wählten meine eigene Nichte Katharina für mich zur Frau aus, also engste Verwandtschaft.“
    Schon als kleines Mädchen hatte sie den Onkel angehimmelt und nicht verhehlt, dass sie ihn später zum Gatten haben wollte.
    „Warum bist du auf diese Blutschande eingegangen?“, fragte Alwin.
    „Es schmeichelte mir, dass eine Vierzehnjährige mich, den doppelt so alten Mann, zu ehelichen wünschte. Ich gab dem Drängen der Familie nach, verlobte mich mit ihr, ohne Rubina ein Sterbenswörtchen davon zu verraten. Erst als beide zur gleichen Zeit schwanger wurden, musste ich, zumindest vor meinem über alles geliebten Mädchen, Farbe bekennen und ihr gestehen, dass ich nie in Erwägung gezogen hatte, ihr je den Trauring an den Finger zu stecken.“
    „Und wie nahm Rubina den Treuebruch auf?“, erkundigte sich Victor.
    „Sie sagte nichts, spuckte vor mir aus und lief weinend zu ihrer Sippe. Den Schmuck überließ sie mir. Und er hat mir tatsächlich nur Glück gebracht. Ich lernte meine Frau, die ich kurz darauf heiratete, zu lieben und zu ehren, schreckte nicht einmal davor zurück, Rubina, die wenige Tage zuvor einem Knaben das Leben geschenkt hatte, in unser Schloss rufen zu lassen, als deiner Mutter, Victor, die Entbindung bevorstand. Sie gratulierte Katharina und mir zur Geburt des bildschönen, kerngesunden Jungen und verweigerte die Annahme des üblichen Wehmuttertalers, den ich ihr in die Hand drücken wollte. Seitdem habe ich sie nie wiedergesehen. Adelheid und Alwin wurden vom guten Medikus Gotthard Wehrbach auf die Welt geholt. Auch sie waren gesund und kräftig, wuchsen zu unserer Freude heran.“
    „Pfui, Vater“, unterbrach Alwin den Redeschwall. „Ihr habt schäbig gehandelt. Jetzt weiß ich endlich, warum Mutter Victor nicht mit der gleichen Liebe umhegte wie Adelheit und mich. Immer wenn sie ihn ansah, muss sie das Gesicht Rubinas in ihren schwersten und intimsten Stunden vor sich gehabt haben. Ihr erniedrigtet beide Frauen.“
    Der Graf betrachtete ausgiebig die Marmorfliesen auf dem Boden, wagte keinen der Söhne anzuschauen.
    „Du

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