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Die Heilanstalt (German Edition)

Die Heilanstalt (German Edition)

Titel: Die Heilanstalt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Geraedts
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angerichtete Teller mitgebracht, die vom Buffet nur das Köstlichste boten, von allem ausgiebig und dennoch nichts im Übermaß. Patrick hatte die beiden Teller mit der gleichen Speisenauswahl gefüllt, den einen aber üppiger portioniert als den anderen.
    Melanie nahm spaßeshalber den volleren Teller vom Tablett und wartete schmunzelnd auf Patricks Reaktion. Doch dieser sah sich nur geistesverloren im Saal um, ließ den Porzellanblick unruhig hin und her wandern, ohne ihn je auf etwas ruhen zu lassen, und grinste so starr wie ein Totenschädel.
    Melanie sah ihn bestürzt an, dachte einen Moment lang darüber nach, ihn anzusprechen, aber kam schnell zu der Einsicht, dass dies zwecklos wäre; wo auch immer Patrick sich gegenwärtig befand, in welchem Traum er auch versunken sein mochte, ihre Stimme würde nicht bis dorthin vordringen. Mit trauriger Miene stellte Melanie den Teller auf das Tablett zurück und nahm den weniger vollen. Schweigsam und appetitlos schob sie mit der Gabel zwei Croissants auseinander und entdeckte zwischen ihnen eine kleine Figur. Verwundert nahm Melanie sie vom Teller und betrachtete sie auf der offenen Handfläche. Die Figur war aus rotem Marzipan und stellte ein junges Liebespaar dar; die Arme des Mannes waren mit dem Rücken der Frau verschmolzen, sodass es aussah, als hielte er sie eng umschlungen. Zugleich waren ihre Köpfe in Höhe des Mundes miteinander verbunden, sodass sie sich scheinbar küssten.
    Melanie verstand diese Figur sofort als eine romantisch verborgene Liebesbekundung. Sie atmete vor Freude und Überraschung hastig ein und sah Patrick über das ganze Gesicht strahlend an; doch er blickte nach wie vor mit marmornen Augen im Saal umher und begutachtete stumm und lächelnd die Umgebung, ohne irgendetwas zu sehen.
    Melanie wandte den Blick kummervoll von ihm ab und schloss die Hand um die Marzipanfigur. Sie schluchzte leise und konnte nicht verhindern, dass eine Träne an ihrer Wange hinabrollte.

Der Zwischenfall
    Kurze Zeit später kam es im Speisesaal zu einem Zwischenfall.
    Dergleichen geschah im Sanatorium höchst selten; das Tagesprogramm nahm in aller Regel reibungslos seinen Lauf, die Patienten fügten sich so mechanisch wie Roboter in das vorgegebene Muster, stellten keine Fragen und sahen von mühsamen Gedanken ab, die ihren Heilungsprozess beeinträchtigten.
    Nicht einmal Melanie, die immerhin bereits seit zwei Wochen hier zu Gast war, hatte bislang erlebt, dass die Ordnung der Anstalt Risse zeigte und ins Wanken geriet; und doch kam es bisweilen vor, dass der schöne Schein kurzzeitig seinen Glanz verlor, dass hinter der Fassade das Verborgene hindurchschimmerte und die Medaille der Wahrheit sich umwandte, um ihre Kehrseite zu offenbaren – wenn auch nur für einen Augenblick.
    Den speisenden Patienten, die innerhalb ihres goldenen Käfigs selbstverständlich nichts Böses ahnten und sich vertrauensvoll in Sicherheit wähnten, kündigte sich die besagte Störung zunächst nur akustisch an: Panische Schreie drangen in den Saal, zwar weit entfernt, aber doch deutlich vernehmbar; man horchte erstaunt auf, unterbrach das Abendmahl und hob irritiert den Kopf. Man wartete stillschweigend, dass die Schreie verstummten, er wartete es gewissermaßen, da jedermann sie an diesem wunderbaren Ort als fehl am Platz empfand. Es konnte keine Erklärung für sie geben, nicht im Kern dieser idyllischen Anstalt.
    Doch wie um diese allgemeine Annahme Lügen zu strafen, dauerten die Schreie fort, mehr noch, wurden lauter, näherten sich, eilten heran. Sie waren letztlich nicht mehr zu leugnen, sodass niemand im Saal mehr vorgab, die Schreie zu überhören. Manche reagierten gar übertrieben deutlich auf sie, um nicht duckmäuserisch zu wirken.
    Doch man war unsicher, woher sie kamen, sah sich verängstigt im Speisesaal um, aber entdeckte nichts Ungewöhnliches, das der üblichen Ordnung widersprach. Nur jene furchtbaren Schreie, die fortwährend anschwollen, passten nicht ins gewohnte Bild.
    Melanie blickte ängstlich zu Patrick, doch dessen Rausch hielt noch an und würde so bald nicht abklingen; er hatte zuvor aufgrund seiner beißenden Schmerzen die Beherrschung verloren und das verträgliche Pensum des halben Bechers gefährlich weit überschritten. Sein Bewusstsein war so benebelt wie lange nicht mehr, vielleicht wie nie zuvor. Seine Augen wanderten rastlos hin und her, rollten unkontrolliert in den Höhlen und waren so trüb wie stark verunreinigtes Wasser. Sein Blick

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