Die Heilerin des Kaisers
zu Bewusstsein.
Sicher, die Bewohner Pavias hatten heimtückisch und treulos gehandelt, aber dieses erbarmungslose Abschlachten aus Rache war mit Sicherheit ein großes Verbrechen vor GOTT.
Erneut konnte die Heilerin ihre Tränen nicht zurückhalten, als sie in einer Straße auf eine Gruppe ermordeter Kleinkinder, wohl Insassen eines Waisenhauses, stieß. Den meisten waren die dünnen Hälse durchgeschnitten, einigen hatte man den Bauch aufgeschlitzt, anderen waren die kleinen Köpfe einfach zertreten worden. Zutiefst angeekelt wandte Griseldis sich ab.
Ihr Beschützer, der alte Kämpe Bertwin, gehörte ebenfalls zu den Opfern dieser Nacht. Am liebsten hätte die junge Frau sich auf ihr Pferd geschwungen und wäre sofort nach Norden zurückgeritten. Am meisten erschreckte sie, dass ihr Traumgesicht sich auf so grässliche Weise erfüllt hatte.
Nur ein Vierteljahr sollte dieser Italienzug andauern. Der König begab sich rasch wieder auf den Heimweg über die Alpen. Den Besuch Roms und seine Krönung zum Kaiser schob er vorläufig auf; wobei er niemals darauf verzichten würde, wie er betonte.
Die Freunde, die ihn so eindringlich nach Italien gerufen hatten, waren enttäuscht. Immer noch regierte Arduin, der Gegenkönig – wenngleich er beständig an Boden verlor. Heinrich aber hatte seinen Anhängern im Süden vor seinem Wegritt noch ein Versprechen gegeben:
»Bald werde ich wiederkehren, meine Freunde. Leider zwingen mich dringende Angelegenheiten des Reiches, die keinerlei Aufschub dulden, zurück über die Alpen.«
Damit allerdings hatte er nicht die Wahrheit gesprochen.
»Unser König möchte einfach weg von hier. Die bittere Erfahrung mit Pavia hat ihm die Freude an seiner Krönung zum lombardischen König sehr getrübt«, sagte Vater Berchtold voller Verständnis zu Griseldis. »Allerdings wird die Begegnung mit Frau Kunigunde bitter werden – hatte Herr Heinrich ihr doch versprochen, ganz besonders auf ihren jüngsten Bruder Acht zu geben.«
Längst hatten sich König Heinrich und sein Anhang wieder in Bamberg eingefunden. Die Königin war in tiefer Trauer.
»Gerade dieser Bruder war mir der liebste in der großen Schar meiner Geschwister gewesen«, vertraute sie Frau Irmintraut und ihren Hofdamen an.
Ihre schöne Base sprach wohl zahlreiche Worte der Anteilnahme, aber einer aufmerksamen Beobachterin wie Griseldis war nicht entgangen, wie merkwürdig teilnahmslos und kalt ihre Trauerbekundungen waren. Sie hatte mit Giselbert, der nie zu Irmintrauts Bewunderern gehört hatte, ja immerhin auch einen Verwandten verloren…
KAPITEL 21
W IEDER WAREN EINIGE Jahre vergangen; man schrieb bereits den Sommer des Jahres 1007. Griseldis hatte die verstrichene Zeit genutzt, um ihr naturheilkundliches und medizinisches Wissen zu erweitern. Ja, mit Hilfe der Lehrbücher, die sie sich nach und nach kaufte oder von Vater Berchtold besorgen ließ, studierte sie Medizin – für eine Frau ein sehr seltenes Unterfangen. Allenfalls mochte es vielleicht nur eine Handvoll Nonnen geben, die Gleiches taten.
Lateinisch beherrschte sie bereits perfekt, dazu hatte sie noch die griechische Sprache in Wort und Schrift erlernt. Und seit etwa drei Jahren arbeitete Griseldis unermüdlich an einem Buch über Krankheiten und deren Behandlungsmöglichkeiten.
Die Heilerin und der Benediktinermönch, der im Alter immer kleiner wurde, verbrachten seit geraumer Zeit die halbe Nacht mit dem Studium schwieriger Krankheitsfälle und ihrer möglichen Heilung. Manche Vorschläge gehörten ohne Weiteres ins Reich der Fabeln oder waren schlichtweg Unsinn, aber einige Methoden schienen durchaus der Mühe wert, sie auszuprobieren.
Griseldis war über ihren Schatten gesprungen und hatte Frau Irmintraut aus Höflichkeit eingeladen, an ihren Studien teilzunehmen. Voll Verachtung hatte diese abgelehnt mit den Worten: »Wozu? Mein Wissen reicht völlig aus, um der Königin eine verlässliche Hilfe zu sein. Die ekligen Leiden des einfachen Volkes mit all den widerlichen Begleiterscheinungen der Armut brauchen mich zum Glück nicht zu interessieren.«
Weder Griseldis noch der Pater waren durch die Absage der Dame sehr traurig gestimmt gewesen.
»Es würde vieler geschickter Verhandlungen bedürfen, um letztendlich die Einwilligung Bischof Heinrichs von Würzburg zu bekommen, habe ich zum König gesagt. Er müsse schließlich einen großen Teil seiner Diözese abtreten. Übrigens genauso wie Herrn Heinrichs Vetter Megingoz
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