Die Heilerin - Roman
das. Das Wenigste, was ich tun kann, ist, dir ein Abendessen zuzubereiten. Wir schulden dir so viel mehr, als wir geben können. Danke für deine Hilfe!« Er lächelte, und meine Wangen heizten sich lange vor der Kanne auf.
»Sind das Fischfrikadellen?«
Er belud einen Teller für mich, ehe er das Wasser zum Kochen aufsetzte. Ich hatte meinen Fisch schon halb verschlungen, als mir klar wurde, dass mein Essverhalten erschreckend an eine Hyäne an einem frischen Kadaver erinnerte.
»Äh, tut mir leid.«
»Schon gut.« Er kicherte und schenkte uns Kaffee ein. »Ich weiß nicht, wie du das machst.«
»Drei Tage nichts essen«, murmelte ich mit einem Mund voller Fisch, »das hilft. Du würdest dich wundern, wie schnell man dann schaufeln kann. Man muss nicht einmal mehr atmen.«
»Nein, ich meine die Sache mit dem Schmerz.«
Ich zuckte mit den Schultern und bemühte mich, die Zwillinge nicht anzusehen. »Das ist nur Heilen.«
»Es ist viel mehr. Ich habe solche Schmerzen, ich möchte mich gar nicht bewegen, aber dir scheint es gut zu gehen.«
Ich behielt die Fischfrikadellen im Auge. »Ich schätze, ich bin es gewohnt. Oder Löser haben von Natur aus eine höhere Toleranzschwelle. Ich weiß es nicht. Hab nie darüber nachgedacht.«
»Tja, jedenfalls bist wirklich etwas Besonderes.«
»Etwas Besonderes?« Ich blickte gerade noch rechtzeitig auf, um die Grimasse zu sehen, die sich in seinen Zügen abzeichnete.
Hastig wandte er sich ab und fummelte an seinem Tellerrand herum. Er war wirklich süß, schüchtern, wie er war. Sogar noch süßer als draußen im Mondschein.
»Du weißt, was ich meine«, murmelte er.
»Hmm«, machte ich. Plötzlich war ich mir meiner dreckigen Hände und meiner feuchten Kleider allzu bewusst. Und ein Geruch, von dem ich betete, dass er nicht von mir stammen möge.
Er schwieg eine lange Zeit, warf mir kurze Blicke zu und wandte sich stets gleich wieder ab. Ich aß weiter, bekämpfte den Drang, mein Haar zu glätten, versuchte, nicht darüber nachzudenken, wie sehr es sich gerade kräuseln mochte. Bei derart nassem Wetter explodierten meine Locken wie das ausgefranste Ende eines Seils.
Endlich fragte er: »Sind deine Eltern Heiler?«
Ich kaute meinen Fisch, kaute länger als nötig und schluckte. »Meine Mutter war es. Großmama auch.«
Er nickte. »Und jetzt sind nur noch du und dein Vater da?«
»Schwester. Nur ich und meine Schwester.«
Eine verständnisinnige Pause trat ein. »Hat sie für die Gilde gearbeitet? Deine Mutter, meine ich.«
»Seit sie zwölf war, genau wie Großmama. Mein Vater war Techniker. Er hat meistens für Schmiede gearbeitet und das Pynvium darauf vorbereitet, Schmerz aufzunehmen. Sein Urgroßvater hat die erste Pynvium-Mine in Geveg erschlossen.«
Danellos Schultern sackten herab, als hätte ich ihm eine schlimme Neuigkeit überbracht. »Du bist eine Aristokratin?«
Meine Finger zuckten. Es hatte eine Menge Aristokraten gegeben, als Geveg noch reich gewesen war, und beinahe alle waren in den Kampf gezogen, als sie gebraucht wurden. Im Gegensatz zu den Edelleuten aus Baseer, die andere dafür bezahlten, an ihrer Stelle zu sterben.
»Nicht, seit der Herzog uns alles genommen hat.« Ich kippte den Kaffee hinunter und versengte mir den Rachen. »Nachdem der Herzog Großmama gefangen genommen hat, sind seine Soldaten in unser Haus reingeplatzt, als gehörte es ihnen, und haben Tali und mich wie Gesindel auf die Straße gesetzt. Sie haben uns nicht einmal unsere Kleider mitnehmen lassen, unsere Spielsachen oder die Andenken an unsere Eltern. Es hat sie nicht gekümmert, dass wir nirgends hinkonnten. Ist noch mehr Kaffee da?«
Er starrte mich mit halb offen stehendem Mund an und nickte dann. »Ja, ich hole dir welchen.« Er schenkte ein, servierte mir eine weitere Fischfrikadelle, und fing an, eine Birne in Spalten zu schneiden. »Meine Eltern haben an der Universität gearbeitet, waren aber keine echten Professoren oder irgendwas anderes Hochbezahltes. Meine Mam hat Fechten und Militärgeschichte gelehrt, mein Paps Philosophie. Sie ist umgekommen, ehe der Krieg vorbei war. Vater sagt, es sei dumm von ihr gewesen zu kämpfen, obwohl doch jeder wusste, dass wir verlieren würden, aber sie hat es trotzdem getan.« Er stellte den Teller mit der Birne zwischen uns auf den Tisch und setzte sich auf seinen Stuhl. »Uns haben sie auch rausgeworfen.«
Danach redeten wir nicht mehr viel. Irgendwie wirklich nett, einfach mit jemandem zusammenzusitzen, der einen
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