Die Heilerin von Lübeck
werden.«
»Aber du wirst es versuchen? Und wie viel zahlst du für Nachtquartier und Schweigsamkeit?«
Taleke schmunzelte. Frauen wie Metteke hatten nichts zu verschenken, und sie verstand das. »Es wird für Holz und Torf im Winter reichen. Außerdem wirst du die nächste Zeit aus meinen Vorräten gut zu essen haben.«
»Das ist genug, Meisterin. Ich bin eine Dirne, kein Räuber.« Metteke wackelte zu ihrem Bett hinüber und ließ sich fallen. »Was hast du ausgefressen? Den kleinen Todesfall eines hochwohlgeborenen Bürgers verursacht?«
»Man könnte eher sagen, dass ich einen Todesfall verhindert habe. Damit war das Domkapitel nicht einverstanden. Und die Ratsherren sind aus anderen Gründen auch nicht gut auf mich zu sprechen.«
»Das beruhigt mich. Das berechtigt dich außerdem, im Haus einer Hure zu wohnen.«
Taleke schmunzelte und wunderte sich, dass Metteke mitten in der Nacht zu solchem Spott fähig war. »Hast du noch nicht geschlafen?«
»Die Schmerzen lassen mich kaum eine Nacht zur Ruhe kommen.«
»Du Ärmste. Aber dagegen gibt es Abhilfe. Ich kann dir einen Sud bereiten, der dich ganz schnell in die schönsten Träume versetzt.«
»Feuer habe ich nicht.«
Das bemerkte Taleke jetzt auch. »Nun, dafür sorgen wir morgen. Der Sud lässt sich mit Würzwein auch kalt aufsetzen.«
»Würzwein ha…«
» … hast du nicht. Aber ich, ein Krüglein habe ich vorsorglich mitgebracht.«
»Wie schön, eine eigene Heilerin im Haus zu haben«, bemerkte Metteke zufrieden, ließ sich einschenken und schlief nach den ersten Schlucken auf der Stelle ein. Ihr Kopf sank auf die Brust, und sie wachte nicht einmal auf, als Taleke ihr die Füße hochlegte und sie zudeckte.
Am nächsten Tag besaß Metteke zwar Münzen, die Taleke ihr ausgehändigt hatte, aber immer noch kein Feuerholz. Doch sie wusste Rat, rief eine Nachbarin, der sie kurzerhand erklärte, ein anhänglicher alter Freund aus schöneren Zeiten habe sie besucht, und beauftragte sie dann mit dem Holzkauf.
Am frühen Nachmittag schon flackerte ein Feuerchen auf dem Herdsockel, und zwei Feuerkieken gaben Wärme ab. Metteke schlürfte ihren heißen Würzwein und schlummerte, gesättigt von zwei Heringen, selig ein. Währenddessen kümmerte Taleke sich um ihre spärlichen Arzneivorräte, die sie in der kommenden Nacht aufzufüllen gedachte.
Als sie endlich damit fertig war, rief der Nachtwächter in weiter Ferne schon die Zeit aus, und Taleke machte sich auf den Weg. Sie eilte durch die Gassen, wieder folgte ihr niemand, und sie hatte auch nicht das Gefühl, beobachtet zu werden.
Volrad Wittenborch ließ sie sofort ein. »Gottlob, du bist da.«
»Geht es Tideke denn schlechter?«
»Nun, er ist glühend heiß, wie du angekündigt hast, aber schlechter – nein, das glaube ich nicht. Ich meinte dich.«
»Ich glaube, die Gefahr durch die Mordbuben ist vorbei«, bemerkte Taleke gleichgültig, warf ihren Umhang ab und setzte sich zu Tideke. Der schlief, anscheinend in schweren Träumen gefangen. Als der Schiffer Licht gebracht hatte, zog Taleke vorsichtig Tidekes Kinn nach unten. Seine Zunge rutschte heraus, und auf ihr wurden viele kleine rote Punkte sichtbar. »Im Gegensatz zu mir schwebt Euer Mann in Gefahr. Es sind wirklich die Blattern.«
»Kann man etwas anderes tun?«
»Nein. Die Behandlung geht weiter wie bisher. Das Zwiebelmus an den Fußsohlen ist ebenso wichtig wie die Waschungen. Wir machen das jetzt beide zusammen, und danach habt auch Ihr Euren Schlaf nötig.«
»Und wie geht es bei dir, Taleke?«
»Gut. Alles in Ordnung.« Mehr wollte Taleke nicht verraten, aber es fiel ihr schrecklich schwer.
In der nächsten Nacht erlebte Taleke eine Überraschung, denn nicht Wittenborch öffnete ihr, sondern Rembert. »Nicht böse sein«, flüsterte er hastig. »Der Schiffer muss jeden Augenblick zurückkommen, er hat mir die Wache bei Tideke übertragen.«
»Um Himmels willen«, polterte Taleke, »was hat er denn da …«
»Alles in Ordnung, Meisterin! Ich hatte doch als Kind die Blattern, ich schwör’s Euch, wie ich es dem Schiffer zu schwören hatte. Er setzte mich als kleineres Übel an das Krankenbett, weil er unbedingt fortmusste, und auch weil Tideke für mich Fürsprache einlegte.«
»Geht es ihm denn besser?«
»Ja, er rührt sich und verlangt nach Bier. Aber Wittenborch hat mir befohlen, ihm nur Salbeisud zu geben, nicht, dass ich es verstünde. Es muss eine schreckliche Tortur sein, von Bier zu träumen und Gift
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