Die Heilerin
mir Sorgen um dich gemacht«, sagte Esther leise, »und wollte Hermann schon losschicken, um dich zu suchen.«
»Das tut mir leid. Ich habe nicht nachgedacht«, sagte sie reumütig und half den Tisch zu decken. Das wenige Getreide, was sie noch hatten, streckten sie jetzt schon mit gemahlenen Eicheln und Bucheckern. Doch lange würde es nicht mehr ausreichen. Besorgt brach Margaretha das Brot und verteilte es. Für Gretje hatte sie eine gute Brühe aus Fleischknochen gekocht und brachte sie ihr nun. Gretje schlief, trotz der vielen Stimmen und der Unruhe, die nebenan herrschte. Margaretha stellte die Schüssel mit der Brühe auf den Kastenneben Gretjes Bett, für einen Moment betrachtete sie ihre Mutter. Die Brust hob sich langsam, und nur mit Mühe schien Gretje Luft holen zu können. Ihre Wangen und Augen waren eingefallen, tiefe Furchen hatten sich um den Mund gegraben. Tränen der Verzweiflung stiegen Margaretha in die Augen.
»Ich brauche dich noch, Moedertje. Du kannst jetzt noch nicht von uns gehen. Was soll ich nur ohne dich machen?« Sie wischte sich über die tränennassen Wangen. »Ich weiß nicht, ob ich es aushalte, wenn ich dich nicht mehr habe. Wir alle brauchen deine Liebe und Güte. Die nächsten Wochen werden hart werden, hoffentlich wird dies kein strenger Winter, denn das könnte uns alle das Leben kosten.« Sie setzte sich vorsichtig auf die Bettkante, nahm behutsam die Hand ihrer Mutter. »Abraham wirkt so verbittert, und Catharina möchte über alles bestimmen. Hermann ist froh, hier zu sein, aber er sorgt sich – wie wir alle. Dirck scheint jetzt erst zu erkennen, welche Verantwortung er auf sich genommen hat. Rebecca wird nächstes Jahr ein Kind bekommen, sie hat Angst vor einer weiteren Fehlgeburt. Wir brauchen deinen Rat, deine Zuversicht und deine Liebe.«
Gretje seufzte, ihre Augenlider flatterten, ihr Atem wurde schneller. Erschrocken biss sich Margaretha auf die Lippen, sie wollte ihre Mutter nicht wecken. Für einen Augenblick hielt sie den Atem an, doch Gretje schien weiter zu schlafen. Sie blieb noch ein paar Minuten neben ihrer Mutter sitzen, stand dann auf.
»Bleib bei mir«, sagte Gretje plötzlich kaum hörbar. »Dochterje, bleib hier.«
»Moedertje, ich habe dir Brühe gekocht. Sie wird dir Kraft geben.«
Nun schlug Gretje die Augen auf, sah Margaretha an, schüttelte leicht den Kopf.
»Die Brühe wird mir nicht helfen.« Ihre Augen glänzten fiebrig, ihr Atem ging plötzlich sehr hastig. »Dochterje, wie schön, das Rebecca wieder guter Hoffnung ist, das wird ihrmehr Stand in der Familie geben. Sie soll sich keine Sorgen machen, sie ist jung und kräftig. Außerdem weißt du, was zu tun ist.« Sie versuchte sich aufzusetzen, Margaretha half ihr. Nur mühsam bekam Gretje Luft, sie hustete, hielt sich die Hand vor den Mund. Der Auswurf war voller Blut. Margaretha zog erschrocken den Atem ein, reichte ihrer Mutter ein Tuch.
»Das Ende ist nahe, Dochterje, aber du musst dich nicht fürchten. Alles wird sich fügen.«
»Bitte, Moedertje, ruh dich aus, überanstreng dich nicht«, sagte Margaretha voller Furcht.
»Ich spüre, dass ich nicht mehr viel Zeit habe. Ein paar Dinge möchte ich dir noch mit auf den Weg geben.« Wieder hielt sie inne, nahm dankend den Becher mit Wasser, den ihre Tochter ihr reichte. »Ich liebe jedes meiner Kinder, auch Abraham.« Sie schloss kurz die Augen. »Für ihn war das Leben nie leicht. Sein Glaube ist fest, doch er hadert mit anderen. Ich denke, er meint es nicht böse, er kann nur nicht aus seiner Haut.«
Margaretha senkte den Kopf, nickte. »Aber es ist schwer, mit ihm umzugehen.«
»Ja, möglicherweise ist es das. Im nächsten Jahr wird es leichter. Wenn erst einmal richtige Häuser gebaut worden sind, sich alle eingelebt haben.« Wieder hustete sie, wischte sich den Mund ab, holte krampfhaft Luft. »Du hast viel von mir gelernt, wirst noch mehr lernen. Sei voller Zuversicht.«
»Moedertje, bitte sprich nicht so.« Nun flossen Margarethas Tränen unaufhaltsam.
»Hartje, gräm dich nicht. Ich werde meiner Bestimmung entgegengehen ohne Gram und Angst. Ich bin euch nur ein paar Schritte voraus.« Sie strich ihrer Tochter über die Wange. »Du wirst deinen Weg gehen.« Dann seufzte sie. »Aber pass auf dich auf.«
»Wieso?«
»Höre auf deine Brüder. Ich weiß«, sagte sie stockend,»dass du Pastorius Gefühle entgegenbringst. Mijnheer Pastorius ist kein schlechter Mensch, aber er steht noch nicht im Leben. Er erinnert mich an Dirck,
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