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Die heilige Ketzerin: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die heilige Ketzerin: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die heilige Ketzerin: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Domeier
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Dunkeln. Da traut man sich als Frau ja nich mehr raus. Wenn die einen dann überfallen und ... na, ihr wisst schon. Und welche haben schon versucht, mit Maria zu sprechen. Habe ich durch die Tür gehört. Aber wenn die merkten, dass einer guckt, sind se immer schnell abgehauen.«
    »Habt ihr jemanden erkannt?«
    Abwehrend erhob die Frau die Hände. »Gott bewahre! Nein! So genau habe ich mir die nich angeguckt.«
    Plötzlich war Ulrich hellhörig geworden. »Juden vielleicht? Die treiben sich hier neuerdings wieder rum.«
    »Das weiß ich nich. Aber bestimmt gefällt’s denen nich, dass Maria Visionen hat. Das sind doch die Christusmörder. Da mögen die ’ne Heilige auch nich.«
    »Ihr meint also, es waren Juden?«
    »Wer sonst, mein Herr?«
    »Die schnappen wir uns.« Und schon eilte Ulrich von Engern aus dem Haus, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, und war verschwunden.
    Agnes und Ludolf schauten sich entgeistert an. Was bedeutete das denn jetzt? Wollte der jetzt die Juden suchen? Das hatte er der Frau doch sozusagen in den Mund gelegt. Außerdem hatten sie doch noch nicht mit allen Nachbarn gesprochen. Was verstand der eigentlich unter Nachforschungen? Beide konnten nur noch verständnislos den Kopf schütteln.
    »So, nun is er zum Glück wech«, murmelte die alte Frau.
    Agnes fragte erstaunt: »Wieso das denn?«
    »Äh ... ja ...«, stotterte die Frau. Erst jetzt war ihr bewusst geworden, dass ja immer noch zwei Besucher vor ihrer Tür standen. »Nix für ungut. Nich dass ihr denkt, ich mag den Herrn nich.«
    Ludolf grinste: »Keine Angst. Wir müssen ja auch mit ihm zusammenarbeiten, obwohl es uns nicht gefällt.«
    Zum ersten Mal lächelte die Alte und entblößte ihren Mund, in dem sich nur noch einige Zähne zeigten, zumeist schwarze, verfaulte Stummel. »Ein unangenehmer Kerl. Spielt sich manchmal wie der Bürgermeister oder wie der Vertreter des Grafen auf. Der Engern hat Geld.« Sie rieb vielsagend Daumen und Zeigefinger aneinander. »Und Einfluss hat er auch. Aber nur, weil er armen Schluckern was leiht. Als guter Christenmensch darf er natürlich keine Zinsen nehmen, aber in der Bibel wird ja nix von saftigen Gebühren für Urkunden gesagt. So is er an Land und Häuser gekommen. Ein paar ganz Arme müssen ihm nun ohne Lohn Dienste leisten. Nämlich solange se mit der Rückzahlung in Verzug sind. Is das nich ’ne Sauerei?«
    Die beiden jungen Leute waren bei der ehrlichen Beschreibung des Ulrich von Engern hellhörig geworden. Da lernten sie nun eine ganz andere Seite dieses Herrn kennen.
    »Hat sich der Herr von Engern damit nicht Feinde gemacht?«, hakte Ludolf nach.
    »Och, so einige. Fragt mal Kuniberts Eltern! Die können ein Lied davon singen!«
    Das würden sie auch so bald wie möglich machen. »Was könnt ihr uns über den armen ermordeten Mann sagen?«
    »Ein lieber, netter Kerl. Die Nachtigals haben ihn gut erzogen. Auch wenn er nich ihr eigner Sohn war.«
    Agnes war ganz erstaunt. Das klang ja höchst geheimnisvoll. »Wessen war er denn dann?«
    Die alte Frau kicherte bei der Frage und legte ihre Hände auf den Mund. »Da hab ich wohl schon wieder zu viel verraten, was? Aber ab und zu werden kleine Kinder vorm Kloster abgelegt. Nachts. So einer is Kunibert. Und wenn die Leute die Kinder dann erziehen, bekommen se vom Kloster Land zu ’nem geringeren Pachtzins.«
    »Gibt es noch mehr von diesen Findelkindern?«
    »Aber sicher. Ich kenn ja schon bestimmt ’n Dutzend.«
    Die junge Nonne zog ein erstauntes Gesicht. »Davon habe ich bisher noch nichts gehört. Aber ich bin ja auch noch kein Jahr hier.«
    »Ja, ja«, feixte die alte Frau wieder. »Rinteln ist ’ne fruchtbare Stadt. Aber davon versteht ihr Schwestern in St. Jakobi ja nix.«
    Agnes lief rot an und räusperte sich verlegen.
    Das war das Zeichen für Ludolf, weiterzumachen: »Wie ist Maria Nachtigal denn so?«
    Die Stimme der Nachbarin wurde nun ganz mitleidig. »Ach, die Arme is so verschlossen. Sie spricht nie über ihre Kindheit. Man merkt, wie schwer se an ihrer Gabe zu tragen hat. Sie is früher bestimmt deswegen gehänselt worden. Und manchmal sitzt se so rum, als wär se ganz woanders. Ich sach ihr dann was, sie nickt bloß, aber se weiß später nich mehr was. Dann hat se wieder ’ne Vision gehabt. Am besten spricht man se immer vorsichtig an, weil se so schreckhaft is.«
    »Und haben sich die Visionen auch jemals erfüllt?«
    »Oh, sicher!« Die Frau klatschte vor Erregung in die Hände. »Vor ’nem Jahr hatte se

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