Die heilige Ketzerin: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Vater, der Bruder von Ulrich von Engern.«
Sie wandte sich wieder zum Fenster. »Ulrich auch da gewesen. Immer sehr nett zu mir.«
Agnes atmete tief durch. War das jetzt ein Ja oder ein Nein? Aber welches Kind erkennt nicht den Namen seines Vaters? Für Agnes wurde nun immer klarer, dass Ulrich von Engerns Bruder Wolter nicht Marias Vater war. Sie hatten das junge Mädchen verschleppt und ihm Gewalt angetan. Es in ein fremdes Land verschleppt, fort von Familie und Freunden, und nur um ... Agnes lief es eiskalt den Rücken herunter. Sie schüttelte sich vor Ekel bei dem Gedanken, was diese brutalen Kerle alles getan hatten. Für Agnes gab es dafür nur eine einzige Strafe ...
»Ich sterbe auch bald.« Maria blickte noch immer in den Klostergarten. »Ich bin auch wie Spatzen.«
»Warum seid ihr ein Spatz?«
»Heute Morgen gesehen, wie Katze gekommen und Vogel gefangen. Nicht sofort getötet, wieder freigelassen. Spatz lief weg, wollte fliegen. Dann Katze ihn wieder gebissen. Noch mal und noch mal. Am Schluss Spatz nicht mehr bewegt. War tot.«
»Seid ihr ein Spatz?«
Maria nickte.
»Wer ist die Katze?« Agnes war ganz aufgeregt. Kam jetzt die große Offenbarung?
Aber die junge Frau schwieg.
»Ist Ulrich die Katze?«, hakte die Nonne nach.
Maria lächelte. »Nein. Ulrich ist Habicht.«
»Warum ist Ulrich ein Habicht? Ein Habicht fängt auch Spatzen.«
»Aber er quält sie nicht.«
Agnes konnte ihre Neugier kaum beherrschen. Sie glaubte sich der Lösung nahe. »Wer ist die Katze?«
»Es gibt viele Katzen. Viele, viele. Überall. Bis Habicht kommt, aber da der Spatz schon fast tot.«
Was meinte sie damit? Der Habicht Ulrich hatte die Katzen verjagt, die den Spatz Maria gequält hatten. Welche Katzen meinte sie? Wusste Ulrich am Ende doch, wer Maria überfallen und Kunibert getötet hatte? Deckte er den Mörder? Natürlich! Deshalb wollte er auch unbedingt bei der Suche dabei sein und über alles informiert werden. Ulrich kannte den Mörder und hatte ihn vielleicht sogar selbst beauftragt! Aufgeregt lief Agnes durch den kleinen Raum und fummelte am Zipfel ihres Kopftuchs. Wurde ihm sein kleines Spielzeug aus Italien inzwischen lästig? Oder hatte er ein neues, jüngeres?
Agnes stockte der Atem. Wie vom Schlag getroffen blieb sie stehen. Adelheid und Ursula! Waren sie die neuen Favoritinnen von Ulrich von Engern? Waren sie von ihm schwanger? Wie war er an die jungen Mädchen herangekommen? Welche Verbindung bestand zwischen dem unangenehmen Kerl und der Äbtissin? Warum beschützte und deckte Greta dieses Scheusal?
»Ich will nicht eingesperrt sein!« Maria riss Agnes unsanft aus ihren Überlegungen.
Die Nonne musste schnell umschalten. »Ihr seid doch nicht eingesperrt. Ihr könnt euch überall im Kloster frei bewegen. Es ist ein Haus Gottes.«
»Haus Gottes«, murmelte die junge Frau leise und starrte weiter aus dem Fenster.
»Wir kümmern uns gern um euch.«
»Um mich nie jemand gekümmert. Kann mich allein kümmern. Brauche keine Hilfe.«
Agnes versuchte behutsam, sie zu trösten: »Der Verlust Kuniberts ist bestimmt schwer zu verkraften.«
»Was ist mit Kunibert?«
Die Nonne hatte diese Frage nicht erwartet. »Er ist doch getötet worden.«
»Ja und?«
Agnes war fassungslos. Sie konnte kaum glauben, mit welcher Gleichgültigkeit Maria reagierte. Hatte der Schock ihre Erinnerung ausgelöscht? »Kunibert war doch euer Ehemann.«
»Männer sind Katzen. Grausam und gemein. Am besten alle sofort ausrotten.«
»War Kunibert auch grausam zu euch?«
Maria drehte sich langsam um. Tränen rannen ihr über die Wangen, die ersten Tränen, die Agnes an ihr sah. Die junge Frau taumelte zum Bett hinüber und warf sich darauf. Leise weinend drehte sie sich zur Wand. Agnes versuchte immer wieder, Maria zu trösten, ihr gut zuzureden. Aber alle Mühe war umsonst. Die junge Frau reagierte nicht mehr. Man hörte sie nur leise Gebete murmeln.
Agnes wartete noch geraume Zeit. Als Maria schließlich ruhiger geworden und eingeschlafen war, verließ sie den Raum. Sie hatte Ludolf eine Menge zu berichten.
Der Priester
Agnes benötigte geraume Zeit, um sich wieder zu beruhigen. Voller Zorn und Erregung hatte sie Ludolf von ihren Erfahrungen im Kloster berichtet. Von den schwangeren Schwestern, der misshandelten Maria und von ihren Schlussfolgerungen Ulrich von Engern betreffend.
»Dieser Lump! Am liebsten würde ich ihn erschlagen.«
»Agnes, so kenn ich dich ja gar nicht!« Ludolf war höchst erstaunt.
»Ist
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