Die heilige Ketzerin: Historischer Kriminalroman (German Edition)
doch auch wahr! Und dem sollen wir berichten? Ihm auch noch unter die Nase reiben: Wir wissen, was du mit den kleinen Mädchen machst.« Grimmig stapfte sie auf und ab und konnte sich nur schwer beherrschen.
»Was mit der Äbtissin und den schwangeren Nonnen ist, sollten wir auf später verschieben«, schlug der junge Mann vor.
»Und wenn Ulrich dahintersteckt?«
»Das ist erst einmal eine Vermutung. Lass uns der Reihe nach vorgehen, damit wir uns nicht verzetteln.«
Verärgert blieb sie stehen und schaute Ludolf an. Nun, wahrscheinlich hatte Ludolf recht, sie war viel zu aufgebracht, um noch klar denken zu können. Am liebsten hätte sie alle Probleme und Geheimnisse auf einmal gelöst, und zwar hier und jetzt. Aber das war unmöglich.
»He, du Wirbelwind«, Ludolf lächelte sie an.
»Was willst du?«, blaffte sie ihn an.
»Bist du mir noch böse wegen vorhin?«
Agnes sah ihn verständnislos an. Dann fiel ihr die Auseinandersetzung wegen der Wunder wieder ein. Das hatte sie in der Aufregung vergessen. »Miststück!«, presste sie hervor.
»Es tut mit leid.«
Frech streckte sie ihm die Zunge heraus. »Bäh!«
Schelmisch lächelnd antwortete er: »Meine ist aber länger.«
Sie konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. So war er halt, den Kopf voller Blödsinn. Dankbar für die Ablenkung blickte sie ihm tief in die Augen und fühlte wieder dieses aufregende Kribbeln im Bauch. Sie verspürte den unbändigen Drang, sich ihm an den Hals zu werfen und ihn zu küssen. Einfach nur laut zu schreien: Ja, ich will dich! So laut, dass alle Welt es hören könnte. Seit die beiden vor zwei Jahren in Minden die Geliebte des Herrn vom Berge gesucht hatten, fürchtete sie diese Augenblicke, wenn ihr Herz dabei war, sich über ihren Verstand und ihr Gelübde hinwegzusetzen. Wenn Ludolf sie in diesem Augenblick in die Arme nehmen würde, wenn er es jetzt trotz der vorbeieilenden Passanten wagen würde, könnte sie sich nicht wehren. Aber dafür war er viel zu anständig. Glücklicherweise. Oder doch eher leider?
»Agnes, wo bist du gerade?« Er musste grinsen, denn seine Herzallerliebste stand mit offenem Mund vor ihm und schaute ganz verträumt.
Die Nonne hüstelte kurz und ordnete dann nervös ihr Skapulier. »Nirgendwo«, erklang es heiser.
Ludolf fragte: »Wir wollten doch noch zu der Nachbarin der Nachtigals und sie fragen, ob sie weiß, was mit Kuniberts Eltern los ist.«
»Lieber erst zum Priester Arnold Bassenberg. Ich will mehr über Maria erfahren. Ich möchte die Sicht eines Geistlichen kennenlernen. Von Ulrich bekommen wir sowieso keine ehrliche Auskunft.«
»Einverstanden.«
Sie machten sich auf den Weg zur Kirche. Es war nicht weit. Sie mussten nur die Klosterstraße bis zum Marktplatz gehen. Dann nach rechts, am Rathaus vorbei, und schon stand man vor dem Portal von St. Nikolai.
Unterwegs blickte Agnes immer wieder heimlich zu Ludolf hinüber. Er brachte sie andauernd durcheinander. Entweder durch sein Gequatsche, wenn er wieder auf Streit aus war, oder wie eben, als er sie mit seinen treudoofen Hundeaugen angelächelt hatte.
Sie atmete tief durch und sagte: »Übrigens: Vor etwa einem Jahr hat jemand bei meinen Eltern angefragt, ob ich seinen Sohn heiraten wolle.«
Ludolf war plötzlich langsamer geworden. Seine Knie waren augenblicklich weich wie Butter. Er versuchte souverän zu klingen, was ihm aber völlig misslang. »W... wer denn?«, stotterte er.
»Ein reicher Grundbesitzer aus der Gegend.«
»Und?« Seine Stimme zitterte.
»Was, und?«
Seine Kehle war wie zugeschnürt. Verstand sie denn nicht, was er meinte? »Hast du zugestimmt?«
Sie ließ sich Zeit mit der Antwort. »Meine Eltern haben zugestimmt.«
»Und du?«
»Ich noch nicht. Ich erbat mir Zeit, um darüber nachzudenken.«
Ludolf bekam kaum noch einen Gedanken zusammen. »Ich dachte ...«
»Was?« Agnes beobachtete ihn ganz genau aus den Augenwinkeln.
Ludolf schüttelte nur heftig den Kopf und winkte ab. Er dachte an ihr Versprechen, nur ihn heiraten zu wollen, falls sie einmal keine Nonne mehr sein sollte. Und jetzt das! Warum hatte sie ihm das überhaupt erzählt? Sie war eine treulose Hexe. Ein Biest.
Agnes schwieg auch. Sie sah genau, wie ihn diese Nachricht getroffen hatte. Und das war auch so beabsichtigt gewesen. Er hatte es schließlich verdient. Das war die Strafe für sein mangelndes Feingefühl, wenn er sie oder ihren Glauben angriff. Außerdem war es keine Lüge gewesen. Jemand hatte tatsächlich um ihre Hand
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