Die heilige Ketzerin: Historischer Kriminalroman (German Edition)
aufeinander los.
Plötzlich erschienen zwei Reiter und einige Knechte auf dem Kirchplatz und versuchten, Ruhe zu stiften. Im Namen des Grafen von Schauenburg forderten sie die Leute auf, wieder an ihre Arbeit oder nach Hause zu gehen. Doch der Erfolg ihres Bemühens blieb bescheiden. Nur wenige folgten der Aufforderung und gingen.
Auch der Mönch hörte nicht auf. Er beschimpfte die Reiter als Irregeleitete, die den wahren Glauben unterdrücken wollten. Er könne nicht schweigen, während Ketzer hier in einem Gott geweihten Gebäude den Satan anbeteten. Als die Knechte nun versuchten, den Mönch von seinem Podest herunterzuholen, wurden sie von den wütenden Menschen angegriffen und mit Pferdeäpfeln beworfen.
Aber in diesem Moment preschten drei weitere Reiter auf den Platz. Nun trieben ihrer fünf die schreiende Meute auseinander. Ohne Rücksicht auf Alter und Geschlecht der Menschen wurden die Pferde in die pöbelnde Menge gelenkt, die sofort auseinanderstob. Die Rintelner flüchteten so schnell sie konnten in die Nebenstraßen, um sich in Gärten oder Hauseingängen zu verstecken. Auch der Bettelmönch hatte sich augenblicklich verdrückt, als sich seine Anhängerschar auflöste.
Agnes, Ludolf und die anderen betrachteten sprachlos diese Szene. Sie konnten kaum fassen, wie friedlich zusammenlebende Nachbarn einander plötzlich an die Kehle gingen. Wie konnte das sein? Es gab doch nur eine Kirche. Warum konnte sie die Menschen nicht einen?
»Zum Glück ist nicht mehr passiert«, seufzte Agnes.
»Aber was geschieht beim nächsten Mal?«, fragte Ludolf.
Keiner wusste es, aber alle befürchteten das Schlimmste.
Hartwich
Ludolf, der Bürgermeister Prutze und vier Soldaten der Stadtwache preschten durch das Seetor in südliche Richtung. Sie wussten nicht, wo sie die Holzdiebe finden sollten, aber in letzter Zeit war in der Nähe des Weges nach Möllenbeck von unrechtmäßigem Schlagen berichtet worden. Am besten wäre es natürlich, die Diebe auf frischer Tat zu ertappen. Andererseits ging es erst einmal darum, Hartwich zu erwischen; denn für eine Anklage reichte schon die Aussage des ehemaligen Holzfällers Hermann Brockmann.
Als Ludolf und Agnes mit ihrer Verstärkung beim Bürgermeister im Rathaus erschienen waren, hatte er sich anfangs noch geweigert, etwas zu unternehmen. Er hatte erst mit dem gräflichen Verwalter Silixen Rücksprache halten wollen. Aber Ludolfs Vater und der Domdekan hatten warnend darauf hingewiesen, dass jede Verzögerung, durch die Hartwich die Möglichkeit zur Flucht gegeben wurde, auf Prutze zurückfalle. Mit knirschenden Zähnen hatte er sich gebeugt und schnell die Wache rufen lassen. Um seine Untätigkeit in der Vergangenheit auszugleichen, hatte er beschlossen, ebenfalls mitzureiten.
Es bestand zwar die berechtigte Angst, dass es wieder zu Unruhen in Rinteln kommen könnte und dann nicht genügend Soldaten in der Stadt waren. Aber da der Mönch erst gerade vertrieben worden war, hofften alle, dass bis zum Abend nichts passierte. Agnes wollte noch einmal zu Maria gehen, und Johannes vom Domhof und Johann von Rottorf hatten sich auch verabschiedet. So war nur Ludolf übrig geblieben, um den Reitertrupp zu begleiten.
Gerade kamen die sechs Reiter durch ein Waldstück, als sie schon von Weitem das Schlagen der Äxte hörten. So leise wie möglich und in zwei Gruppen aufgeteilt näherten sie sich vorsichtig den Holzfällern. Die Häscher versuchten, die Arbeiter in die Zange zu nehmen, damit – falls es wirklich die Diebe waren – niemand entkommen konnte.
Die Waldarbeiter erschraken heftig, als sie plötzlich von Bewaffneten umringt waren. Es war nur ein kleiner Trupp. Zwei schlugen gerade die Äste eines gefällten Baumes ab, ein dritter legte einem Zugpferd das Geschirr an. Die Holzfäller ließen von ihrer Arbeit ab und schauten ängstlich zu den Reitern auf.
»Für wen schlagt ihr hier?«, rief der Bürgermeister, ohne sich zu erkennen zu geben. Aber der Anblick der gezückten Waffen der Soldaten war überzeugend genug.
Einer der Arbeiter antwortete mit leicht zittriger Stimme: »Euer Gnaden, wir haben nichts Unrechtes getan. Seit letzter Woche schlagen wir hier für den Herrn Westphal, den Probst des Stiftes.«
»Wer kann das bestätigen?«
Die drei schauten sich an, bis ein anderer antwortete: »Der Knecht Wiegand auf dem Hof des Herrn wird euch das bestimmt bestätigen.«
Prutze nickte. »Ich kenn den Knecht. Ich hab in dieser Woche auch schon gesehen, wie Holz
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