Die heilige Ketzerin: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Angelegenheit nichts an. »Ach den. Klar. Der is auch Holzfäller.«
»Seid ihr sauer auf ihn?«
»Wieso denn?«
»Weil Ulrich von Engern Maria ihm gegeben hat und nicht euch.«
»So’n Quatsch. Maria war mir nich versprochen. So’ne Ziege kann ich nich gebrauchen.«
Ludolf beobachtete sein Gegenüber sehr genau. Aber der ließ sich durch nichts aus der Ruhe bringen. Der war kalt wie Eis. »Einige Leute bezeugen aber, dass ihr deswegen sogar Streit mit eurem Freund Ulrich hattet.«
»Das kann ja jeder behaupten. Mich interessiert’s ’n Dreck, was andere reden.«
»Aber ihr habt Maria besucht, als Kunibert weg war.«
Er schüttelte den Kopf. »Ich hab die schon ewig nich mehr gesehen.«
Ludolf versuchte, sich durch Hartwichs selbstsicheres Auftreten nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. »Es tut mir leid. Da liegt ihr falsch. Die Nachbarn haben euch gesehen und auch gehört, dass ihr euch mit Maria gestritten habt. Und zwar genau an dem Tag, als Kunibert ermordet wurde.«
Endlich schaute der Holzfäller Ludolf an. Hartwich war zum ersten Mal unsicher geworden. »Wollt ihr etwa behaupten, ich hätte Kunibert plattgemacht?«
»Alles deutet darauf hin.«
Er lachte plötzlich schallend. »Für den Mist wird man euch noch die Hammelbeine lang ziehen.«
Ludolf ließ sich nicht beeindrucken. »Wer denn?«
»Haha, das werdet ihr schon sehen.«
»Etwa von Ulrich von Engern? Das wird schwer werden.« Der Möllenbecker zeigte lächelnd zur Seite. »Hier haben wir den Bürgermeister, und die gräfliche Familie in Rinteln will das Problem der Holzdiebstähle auch endlich gelöst haben. Und ebenso der Vertreter des Bischofs von Minden. Eure Hilfe muss da schon in Form eines Heeres kommen oder vom Kaiser persönlich.«
Endlich bröckelte Hartwichs Überheblichkeit. Ärgerlich erklärte er: »Ich habe Kunibert nie angerührt.«
»Ach ja?«
»Ganz sicher.«
»Das werden wir ja noch sehen. Der Holzdiebstahl ist Grund genug, euch einzusperren. Den Beweis für den Mord werden wir noch finden. Außer, ihr könnt glaubhaft machen, dass ihr es nicht wart.«
Kurze Zeit später setzte sich der Zug mit den drei gefangenen Holzfällern in Bewegung. Im Triumph ging es zurück nach Rinteln.
Feurige Qualen
Nach dem Mittagsmahl bei ihrem Onkel ging Agnes zum Kloster. Sie hoffte inständig, nicht der Äbtissin oder ihrer griesgrämigen Vertreterin über den Weg zu laufen. Mit den beiden Schnepfen wollte sie von jetzt an so wenig wie möglich zu tun haben. Ohne Zwischenfall erreichte sie Marias Kammer und klopfte an. Sie horchte, bekam aber keine Antwort. Sie versuchte es noch einmal. Aber im Raum rührte sich noch immer nichts. Vorsichtig öffnete sie die Tür und schaute hinein.
»Maria? Seid ihr da?«
Doch der Raum war leer und das Bett wie üblich verwühlt. Vielleicht war Maria kurz zum Abort. Agnes setzte sich und wartete. Als aber Maria auch nach längerer Zeit nicht auftauchte, verließ Agnes die Kammer. Wo war die junge Frau nur geblieben? Hoffentlich war sie nicht fortgelaufen. Andererseits – wo sollte sie schon hin? Entweder in ihre eigene Wohnung oder zu diesem schamlosen Ulrich von Engern.
In der Nähe der Küche hörte sie plötzlich Geschrei. Sofort raffte sie ihr Gewand und lief los. Ihr war es völlig egal, ob das für eine Nonne schicklich war oder nicht. Hier schien etwas passiert zu sein, da war es überzogen, sich an irgendwelche starren Klosterregeln zu halten. Vor dem Eingang der Küche standen schon einige Schwestern und starrten gebannt hinein. Agnes zwängte sich zwischen ihnen hindurch und versuchte, die Lage zu erfassen.
Maria stand in der Ecke mit dem Gesicht zur Wand. Sie kreischte hysterisch. Mit ihren Fäusten trommelte sie voller Wucht gegen den Putz. Die Nonne, die heute den Küchendienst verrichtete, stand mit weit aufgerissenen Augen am Herd und konnte sich vor Schreck nicht mehr rühren.
Agnes fuhr die Schwester an: »Was ist los?«
Doch die schüttelte nur den Kopf.
»Sprecht endlich! Was ist passiert?«
Da Agnes immer noch keine Antwort bekam, ging sie langsam auf Maria zu. Sie redete mit leiser, beruhigender Stimme auf die junge Frau ein. Doch jedes Mal, wenn sie Maria an der Schulter zu berühren versuchte, schlug diese um sich, sodass Agnes sich durch einen Satz in Sicherheit bringen musste. Nach und nach konnte sie dem Gekreische einige Worte entnehmen: »Feuer«, »Männer«, »sie kommen«, »müssen uns verstecken«.
Endlich hatte die Küchenschwester ihre Sprache
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