Die heilige Ketzerin: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Bericht auf der Stelle bereit mitzukommen. Zur Unterstützung wurden noch zwei Knechte mitgenommen. Inzwischen war Agnes zu ihrem zukünftigen Schwiegervater geeilt. Auch Johannes vom Domhof unterstützte die Aktion mit einem tatkräftigen Diener des Hauses. Die beiden Trupps trafen sich vor der Pforte des Klosters. Alle Beteiligten waren durch den raschen Lauf erhitzt. Dazu kam das Wissen um den Anlass der Aktion und die Empörung wegen der begangenen Taten. Wer sollte sie jetzt noch aufhalten können?
Von Rottorf schlug kräftig gegen die Eingangstür des Klosters. Die eisernen Scharniere schepperten laut. »Aufmachen!«, rief er. »Sofort! Hier ist der Domdekan!«
Vorsichtig wurde eine Klappe geöffnet, und das Gesicht der Pförtnerin erschien. Sie erkannte den Gast sogleich und zog den Riegel zurück. Doch statt des Geistlichen standen plötzlich mehrere fremde Männer im Eingang.
»Ihr könnt hier nicht alle rein!«, rief sie verzweifelt. »Dies ist ein Damenstift. Ich darf niemanden einlassen, der nicht das Recht dazu hat!« Sie stellte sich der Gruppe in den Weg.
Doch schon fuhr Agnes sie an: »Ist der Priester Bassenberg noch da?«
Die Nonne blickte ihre Mitschwester verdutzt an. »Ja. Er ist vor Kurzem gekommen.«
»Wo ist er jetzt?«
»Äh ...« Ihr Blick wanderte von einem grimmigen Gesicht zum anderen. Kleinlaut antwortete sie schließlich: »Wie immer. Er nimmt die Beichte ab und spendet den jungen Nonnen, die ihre Familie vermissen, Trost.«
»Gut. Wir gehen zur Äbtissin! Und wehe, ihr gebt Alarm!« Dabei hatte sie ihren rechten Zeigefinger drohend erhoben.
Alles folgte Agnes im Gänsemarsch ins Klostergebäude. Die Pförtnerin stand mit hängenden Schultern im Eingang und wusste nicht, wie ihr gerade geschehen war. Vor Fassungslosigkeit konnte sie sich nicht mehr rühren.
Ohne anzuklopfen stürmte Agnes in das Arbeitszimmer von Greta von Hattelen. Dicht hinter ihr folgten die anderen. Die Äbtissin saß zusammen mit der Priorin am Tisch. Gemeinsam steckten sie ihre Köpfe in irgendwelche Listen.
Die Vorsteherin sprang erbost auf, als sie Agnes erblickte. »Was fällt dir ein, mich hier so einfach zu stören? Du hast kein Recht mehr ...«
Erst jetzt bemerkte sie, dass auch noch andere Leute den Raum betraten. Sie stellte sich wieder auf ihre Fußspitzen und sagte wütend: »Dies sind Laien und außerdem Männer.« Voller Abscheu zeigte sie auf Ludolfs Vater und die Bediensteten. »Diese entweihen das Kloster. Das ist nicht angemessen für ein Frauenkloster!«
Aber Agnes baute sich drohend vor ihr auf und giftete zurück: »Da sind wir gleich beim richtigen Thema. Dies ist kein Frauenkloster, dies ein Hurenhaus.«
»Du wagst es? Du Dirne!« Und ehe es jemand verhindern konnte, hatte sie der verhassten Mitschwester eine schallende Ohrfeige verpasst.
Agnes fackelte nicht lange und hob ihrerseits die Hand. Doch Ludolf konnte den Schlag noch früh genug aufhalten und ergriff ihren Arm.
»Lass sie! Sie ist es nicht wert.«
Die junge Frau schüttelte ihn gereizt ab. »Schon gut, schon gut.« Mürrisch rieb sie ihre brennende Wange.
Ludolf wandte sich nun an Greta: »Interessant, dass ihr selbst das Wort Dirne benutzt. Erklärt uns doch kurz einmal, was es bedeutet.«
»Das habe ich nicht nötig«, zischte sie ihn an.
Aber der junge Mann lächelte nur zynisch. »Ist eine Dirne nicht eine Frau, die mit Männern buhlt, obwohl sie nicht mit ihnen verheiratet ist?«
Die Äbtissin blickte an ihm hoch und erklärte spöttisch. »Ihr kennt euch mit solchem Schmutz ja äußerst gut aus.«
»Ich denke, ihr noch besser. Ihr seid die Mutter aller Dirnen. Ihr verschachert Mädchen an Freier.«
»Raus mit Euch!«, schrie sie und zeigte auf die Tür.
Aber von Rottorf ignorierte den Befehl. »Wo ist Bassenberg?«, knurrte er.
Die kleine, zierliche Frau antwortete stattdessen: »Werft endlich diesen frechen Burschen raus!«
Der Domdekan donnerte plötzlich los. »Mäßigt euch!«
»Ich ... ich bin hier die Äbtissin! Dies ist mein Recht!«
»Aber nicht mehr lange! Zum letzten Mal: Wo ist Bassenberg? Oder sollen die Knechte die Gerte der Priorin an euch ausprobieren?«
Greta von Hattelen taumelte zurück. In ihrer Bestürzung bekam sie kaum noch ein Wort heraus. »Ihr ... ihr ... wagt es nicht!«
»Doch!«
Die beiden Kontrahenten warfen sich tödliche Blicke zu. Wortlos standen sie sich gegenüber. Johann von Rottorf beugte sich drohend über Greta von Hattelen, aber sie sagte nichts mehr. Sie
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