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Die heilige Ketzerin: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die heilige Ketzerin: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die heilige Ketzerin: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Domeier
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Albtraum. Solche abscheulichen Dinge konnte doch kein Mensch sagen. Sie schloss die Augen und fühlte noch, wie sie langsam zur Seite kippte. Doch zwei Arme fingen sie sanft auf.
    »Was ist mit dir?«
    Ludolfs erschrockene Stimme drang von fern an ihr Ohr. Sie öffnete vorsichtig die Augen. War der schlechte Traum jetzt zu Ende? Sie schaute in die erstaunten Augen ihres Bräutigams.
    »Du bist mit einem Mal so blass geworden.«
    Agnes atmete mehrmals tief durch. Dann schaute sie sich um. Aber noch immer standen dort die abscheulichen Menschen, die sich so abfällig über das Leben Wehrloser geäußert hatten – auf so gottlose, so geringschätzige Art, dass ihr übel geworden war. Nein, das waren keine Menschen mehr, das waren Tiere.
    »Es geht wieder«, versicherte Agnes und stellte sich wieder auf ihre eigenen Füße.
    Johann von Rottorf fragte die Äbtissin: »Soll das etwa heißen, ihr habt Kinder getötet?«
    »Nie!«, zischte die Angesprochene. »Es war ein Gottesurteil. Wir haben nichts getan, was nicht auch Gott erlaubt hätte. Diejenigen, die überlebten, wurden an Familien in Rinteln und Umgebung abgegeben. Die Toten wurden begraben. So blieben nur die Stärksten am Leben. Nur die, die es verdient hatten, zu leben.«
    »Was für ein Gottesurteil meint ihr?«
    »Ich lasse sie eine Nacht in der Krypta der Jakobi-Kirche liegen, direkt unter dem geheiligten Altar. Wenn Gott das Kind gegen die Ratten schützt und Kraft gegen Dunkelheit und Kälte verleiht, wird es an Christenmenschen gegeben. Meine beiden Kinder haben diese Gnade bekommen. Beide sind stark gewesen!«
    Der Domdekan schüttelte fassungslos mit dem Kopf. »Hat denn niemand das Schreien gehört?«
    Greta von Hattelen lachte hysterisch. »Nicht durch diese dicken Mauern. Und falls eine der Schwestern, meinte, etwas gehört zu haben, sagten wir ihr, dass der Leibhaftige wieder unterwegs war, um allzu neugierige Weibsbilder zu holen.« Sie warf den Kopf in den Nacken und lachte laut. »Ihr hättet sehen sollen, wie schnell die Schwestern wieder in ihrer Kammer verschwunden waren. Die haben nie wieder gefragt!«
    »Und wo sind die Gräber der ... zu schwachen Kinder?«
    Die Äbtissin beschrieb einen Platz im südlichen Klostergarten nahe der Stadtmauer. Von Rottorf beauftragte einen der Bediensteten, sich auf der Stelle Helfer zu holen und am genannten Ort zu graben. Falls Kinderskelette gefunden werden sollten, wollte er sofort unterrichtet werden. Inzwischen würden Arnold Bassenberg und Greta von Hattelen ins Rathaus gebracht und dort eingeschlossen, bis ein Gericht über sie urteilte.
    Ludolf schaute sich befriedigt um und ergriff Agnes’ Hand. Er zwinkerte ihr siegessicher zu und formte mit den Lippen das Wort »geschafft«. Sie nickte erleichtert.
    Der junge Mann wandte sich noch einmal an den Priester von St. Nikolai. »Und weil Kunibert eure Schandtaten entdeckt hatte, musste er sterben. So habt ihr euren eigenen Sohn umgebracht. Ich hoffe, dieser Mord liegt noch schwer auf eurer Seele.«
    Arnold Bassenberg zog die Augenbrauen zusammen. »Was redet ihr da? Ich soll Kunibert umgebracht haben? Niemals! Ich war nur am Abend kurz bei Maria und habe Kunibert überhaupt nicht gesehen.«
    »Wie wollt ihr das beweisen?«
    »Ich kann das«, warf die Äbtissin ein, der soeben die Hände auf den Rücken gebunden wurden. »Arnold war während der ganzen Nacht bei mir.«
    Ludolf lächelte müde. »Wie viel ist wohl das Wort einer Mörderin wert? Glaubt ihr so, euren Geliebten vor dem Henker zu retten? Und er war bei euch trotz der jungen Mädchen, die ihr ihm hier dargeboten habt?«
    »Erfahrene Frauen haben halt mehr zu bieten als so junge Dinger.«
    Er schüttelte lächelnd den Kopf. Er würde sehr schnell beweisen können, dass der Priester es doch gewesen war. Sie höchstpersönlich würde Bassenberg ans Messer liefern. »Wann will er denn zu euch gekommen sein?«
    Ohne zu überlegen antwortete sie: »Kurz vor Einbruch der Dunkelheit.«
    Dem jungen Mann kam diese Antwort zu schnell – zu spontan, um erfunden zu sein. »Könnt ihr das genauer sagen?«
    »Wie genauer? Ich weiß nicht, was ihr meint. Irgendwann vor dem Gewitter halt. Genauer weiß ich’s nicht. Lasst mich endlich damit in Ruhe.«
    Ludolf und Agnes blieben erstarrt stehen, als alle anderen Anwesenden sich auf den Weg zum Rathaus machten. Sie hielten sich noch eine geraume Zeit an der Hand und blickten sich verblüfft an. Wie weit konnten sie der Aussage der Äbtissin trauen? Hatte sie

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