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Die heimliche Lust

Die heimliche Lust

Titel: Die heimliche Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dalma Heyn
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seine Antwort würde mich ärgern, entweder wegen seiner Einschätzung der >meisten Frauen< oder wegen der Art, wie ich mich nach seiner Meinung von ihnen unterscheide. Was er meint, ist vermutlich, daß man relativ leicht mit mir auskommen kann. Nicht zickig. Nicht klammernd. Unabhängig. So etwa. Und er findet, ich sei eine gute Mutter. Ich bin eine gute Mutter. Unsere Beziehung zueinander ist solide. Ein bißchen langweilig; wie in Stein gehauen, irgendwie. Wir sind ein ideales Paar, behaupten unsere Freunde. Wir streiten nicht viel, wir quälen einander nicht. Ein bißchen von der lauwarmen Sorte, aber irgendwie sind wir stolz darauf; wir haben immer gefunden, das sei gut für eine Ehe. Nicht zuviel Intensität. Wir waren sehr selbstgefällig am Anfang — weil das alles so wunderbar, so vollkommen, so rational war; wir stritten uns nie. Und ich dachte: >Ach, so funktioniert das in einer Ehe?< Ich verkniff mir einfach Fragen, von denen ich wußte, daß sie einen Streit auslösen würden — so, wie ich ihn eben nicht frage, warum er mich mag, weil ich weiß, daß mich seine Antwort sauer machen würde. Mein Gefühl in bezug auf Russell ist, daß er mich gern hat — nein, daß er mich liebt — , aber daß er, wenn ihn jemand fragen würde, was er eigentlich an mir liebt, vielleicht etwas in Verlegenheit käme. Wie der Mann, der antwortet, >Schließlich habe ich dich geheiratet, oder ?< , wenn ihn seine Frau fragt, ob er sie liebt. Aber ich akzeptiere das an ihm und habe nicht das Gefühl, daß er mich weniger liebt, weil es unausgesprochen bleibt. Ich habe eigentlich nie Vollkommenheit von ihm erwartet oder so. Sie wissen schon, der Märchenprinz auf dem weißen Pferd .«
    »Aber er liebt Sie nicht nach Ihren Kriterien ?«
    »Sie meinen, mein wahres Selbst? Ach Gott, wer weiß? Er hat nichts gegen mein wahres Selbst, nehme ich an. Ich meine, ich bemühe mich nicht besonders, es zu verstecken. Aber hören Sie, vor etwa einem Monat ist etwas Merkwürdiges passiert. Ich fuhr zu einem dreitägigen Kongreß nach Chicago — Jonathan hielt ein Referat, und ich sollte sowieso teilnehmen — , und am Tag nach meiner Ankunft rief ich zu Hause an. Russell ist kein großer Telefonierer, wir haben unsere Anrufe immer kurz gehalten, weil er findet, das Telefon sei nicht der richtige Ort zum Plaudern. Darauf habe ich mich irgendwie eingestellt. Ich war also darauf vorbereitet, ihn kurz zu informieren — wann ich zurückkäme, wie das Hotel ist. Aber Russell klang sonderbar. Er sagte, er vermisse mich, ob ich am nächsten Tag heimkommen könnte? Ich traute meinen Ohren nicht. Ich konnte nicht — es war der Tag, an dem Jonathan sein Referat hielt, und wir hatten vor, an diesem Nachmittag nach Evanstone zu fahren, um uns das Spiel Northwestern-Michigan anzuschauen. Deshalb sagte ich nein, ich könne nicht am Samstag nach Hause kommen, und erwartete, daß er >okay< sagen würde. Er fragte, ob ich dann am Sonntag kommen könnte, statt Montag abend ? Nun ja, das konnte ich nicht gut ablehnen, obwohl ich mich auf das ganze Wochenende mit Jonathan gefreut hatte.
    >Sicher<, sagte ich, >ich werde mich nach einem Sonntagsflug umsehen<. Er antwortete, gut, das sei ihm recht. >Ist etwas nicht in Ordnung ?< fragte ich ihn. Nein, antwortete er, er wolle mich bloß sehen. All das kam in Russells eher emotionsloser Weise rüber. Ich war nicht sicher, ob er verstimmt war oder nicht; es klang alles so... nüchtern. Sie müssen das verstehen, ich kenne diesen Mann seit Jahren, und große Gefühlsausbrüche liegen ihm nicht. Und um ehrlich zu sein, ich wollte auch keine hören. Deshalb forschte ich nicht weiter. Er hatte noch nie gedrängt; es war also etwas los, auch wenn ich nicht wußte, was es war. Auch wenn er nicht wußte, was es war.
    Als ich nach Hause kam, ging er auf mich zu und hielt mich etwa eine Minute lang eng an sich gedrückt. Chloe stand da und sah überrascht und merkwürdig glücklich aus — ihr Vater ist nicht der überschwengliche Typ, wie Sie vielleicht schon gemerkt haben. An diesem Abend erzählte er mir — immer noch in diesem unterkühlten, emotionslosen Ton — , daß er Angst gehabt habe; daß er dachte, etwas könne mir zustoßen, während ich in Chicago war; daß er seit meiner Abreise besorgt gewesen sei, daß er mich verlieren könnte.
    Ich war ebenso überrascht wie gerührt von seiner Verletzbarkeit und von diesem siebten Sinn, mit dem jemand Wahrheiten erahnt. Ich versicherte ihm, daß er nicht im Begriff

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