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Die heimliche Lust

Die heimliche Lust

Titel: Die heimliche Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dalma Heyn
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Objekt macht und beurteilt und ihre eigene, wirkliche Stimme zum Schweigen bringt. Diese seltsame kritische Stimme stellt nicht nur ihre Gefühle in Frage; vielmehr »weiß« sie, wie sie sich fühlen sollte, wie sie eine Beziehung aufrechterhalten sollte, wie sie sein sollte, um die Liebe zu bekommen, die sie sich wünscht. Diese Stimme fordert, daß sie gehorcht oder diese Liebe verwirkt und bei der allerwichtigsten Aufgabe, der Aufrechterhaltung einer guten Beziehung, versagt.
    Pas Idealbild von Bravheit und die von dieser körperlosen Stimme diktierten Beziehungen haben zwar wenig mit ihren wirklichen Wünschen zu tun. Aber sie merkt, daß sie sich in ihrem neuen Bestreben, »untadelig genug zu sein«, um geliebt zu werden, ihrer wahren Wünsche immer weniger bewußt ist. Sie spürt, daß ihre eigentlichen Wünsche irrelevant sind, weniger wichtig als das Festhalten an ihrer Ehe und an ihrem Gefühl, eine ordentliche, moralisch einwandfreie und liebevolle Frau zu sein. Sie wird weiter in die Krise getrieben: Plötzlich spürt sie nicht nur die Frustration, sondern auch die Kritik hinter Freuds berühmter Frage »Was will das Weib?«, während die gleiche Stimme sie in die Zange nimmt: Nun denn, wenn es das nicht ist, was du willst, was um Himmels willen willst du dann?

Die »Sollte«-Stimme

    In klassischen psychoanalytischen Begriffen nennt man diese Stimme, die in so verurteilendem Ton zum Selbst spricht und sich mit dieser moralischen Autorität über das authentische »Ich« erhebt, das Über-Ich; in der Objektbeziehungstheorie spricht man vom »falschen Selbst«; Dana Crowley Jack, die Autorin von Silencing the Self: Depression and Women, hat es »das Über-Auge« genannt, weil es aufpaßt und über dem »Ich« der authentischen Stimme der Frau spricht. Aber während der verurteilende, moralisierende Ton dieser Stimme mehr oder weniger dem Gewissen zugeschrieben wurde — als spreche sie die eigenen wahren Gefühle der Frau aus — , erinnert uns Jack daran, daß es keineswegs die eigene Stimme ist:
    Das Über-Auge weist einen entschieden patriarchalischen Zug auf, sowohl in seiner kollektiven Sichtweise dessen, was für eine Frau »gut« und »richtig« ist, wie auch in seiner Bereitschaft, ihre Gefühle zu verurteilen, wenn sie von den erwarteten Verhaltensweisen (»sollte«) abweicht. Das Über-Auge fällt gnadenlos harte Urteile über die meisten authentischen Bestrebungen einer Frau, einschließlich ihres Wunsches, sich in Beziehungen, in ihrer Kreativität und ihrer Spiritualität frei zu entfalten. Da die Urteile des Uber-Auges einen kulturellen Konsens über weibliche Wohlanständigkeit, Wahrheit und Werte einschließen, haben sie die Macht, die Sichtweise des authentischen Selbst außer Kraft zu setzen.
    Da die Stimme ein Verhalten fordere, wie es die Kultur vorschreibe, nicht, wie es der Frau selbst als natürlich erscheine,
    ...wird die Stimme des Über-Auges noch lauter, wenn Beziehungen in Schwierigkeiten geraten oder scheitern, sie weist darauf hin, daß die eigenen Mängel einer Frau die Probleme verursachten, und sie gibt ihr die Schuld an allem, was schiefging. Statt untergraben zu werden, weil sie nicht funktionierte, kann die vom Über-Auge vertretene Theorie, wie frau sich Liebe sichern kann, an diesem Punkt noch an Stärke gewinnen, da die Überzeugungen des authentischen Selbst weniger Autorität aufweisen als jene, die uns von der Kultur und der persönlichen Lebensgeschichte aufgezwungen werden.
    Die Bedeutungen und der Herrschaftsanspruch, welche in diesem kleinen Wörtchen »sollte« enthalten sind, können nicht genug hervorgehoben werden. Seine Macht, Frauen zum Verzicht zu zwingen — sie zu nötigen, statt auf ihre eigene Stimme zu hören, ihm in erstickende und selbstzerstörerische Selbstlosigkeit zu folgen, ist von WissenschaftlerInnen und Schriftstellerinnen, von Psychologinnen und Soziologinnen hervorgehoben worden, von denen viele auf den kulturell vermittelten moralischen Imperativ hingewiesen haben, den Frauen ihr ganzes Leben lang empfinden, den Imperativ, die Arbeit des Gestaltens und Erhaltens von Beziehungen zu leisten. Da das Selbstwertgefühl von Frauen integral davon abhängig gemacht wurde, wie gut sie diese Arbeit tun, »sind Ereignisse im Bereich von Beziehungen höchst relevant für ihre Selbstdefinition und -bewertung«, schreibt Dana Crowley Jack und fügt hinzu, daß sich die moralischen Bedeutungen, die eine Frau interpersonalen Ereignissen zuschreibt,

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