Die heimliche Lust
im übrigen , daß Paula in Schwierigkeiten sei. Paula möge über Designer fabelhaft Bescheid wissen, aber sie, Carol, kenne sich aus, wenn es darum gehe, professionelle Hilfe zu finden. »Sie kannte fast jeden Therapeuten in der Stadt«, erklärt Paula, »und sie meinte, sie wisse genau den Richtigen für mich. Etwas in der Art. Wirklich nett. Sie bemühte sich richtig um mich .«
Carol riet ihr: »Was auch immer du durchmachst, laß dir von jemandem beistehen .« Das traf genau den wunden Punkt bei Paula, die es so bedrückte, mit ihrem Elend allein zu sein. Paula stimmte zu, sie mußte mit jemandem über Harry reden, über das, was sie durchmachte.
Paula rief diese Frau an, von der Carol sagte, sie sei so gütig und warmherzig wie Apfelküchlein. Paula begann in dem Moment zu weinen, als sie dort ankam: Wo waren die Tempos? Hatten Psychiater nicht immer Taschentücher griffbereit? Paula weinte und weinte. Die Therapeutin brachte ihr Taschentücher. »Ich habe ein Verhältnis !« , brachte Paula unter Schluchzen hervor.
»Ach«, machte die Therapeutin.
»In dieser ganzen ersten Sitzung kamen wir überhaupt nicht zu George. Sie muß gewußt haben, daß ich verheiratet bin, denn warum würde ich sonst ihre ganzen Taschentücher aufbrauchen? Wir redeten nur über Harry .«
Nun beginnt Paula, ihre Gefühle gegenüber Harry zu untersuchen — Gefühle, die sie nie zuvor gehabt hatte. Unzugänglich sind ihr allerdings ihre Empfindungen gegenüber George. In ihrer Familie und in der von George ist, »die Ehe, in welchem Zustand der Degeneration sie auch sein mochte, das, worauf es ankommt. Nichts sonst zählt — nicht, wie gesund die Beziehung ist, nicht, wie man sich darin fühlt. Was zählt ist, daß die Ehe intakt bleibt .«
Während ihre Mutter ihre Entscheidung nie in Frage stellen würde, tat ihre Psychologin das sehr wohl. »Sie meinte, daß ich mich wegen der unverdaulichen Dinge übergeben müsse, die ich mich zwang, hinunterzuschlucken .« Das Unverdaulichste war offenbar die mögliche Erkenntnis, daß ihre Beziehung zu George äußerst problematisch sein könnte. Sie anzuschauen, sie zu untersuchen, vielleicht festzustellen, daß sie irreparabel sei, war ihr unerträglich.
Eines Tages schockierte die Psychologin Paula mit dem Satz: »Ich weiß nicht, ob wir weiterhin so tun können, als wollten Sie wirklich aus ganzem Herzen zu dieser Ehe zurückkehren«, sagte sie, »wenn es doch offensichtlich ist, daß es eine zutiefst unbefriedigende, entfremdete Beziehung ist, an der Sie auch nichts zu ändern gedenken. Wenn Sie es also nicht in Betracht ziehen wollen, George zu verlassen oder mit ihm über Ihr Verhältnis zu sprechen bzw. in einen wie auch immer gearteten Dialog mit ihm einzutreten, könnten Sie sich dann vorstellen, Harry wiederzusehen?«
Paula war frappiert. »Wollen Sie damit sagen, ich sollte mein Verhältnis fortsetzen ?«
»Ich will damit sagen«, antwortete sie, »daß wir an einem toten Punkt sind. Ich denke, Sie sollten Harry anrufen .«
Paula begann zu weinen, hemmungslos zu schluchzen. Sie weinte, ohne an ein Aufhören zu denken, als würde das Weinen kein Ende nehmen. »Meine Lunge hatte einen Hustenanfall, der diese schrecklichen Schluchzer auslöste, die wie ein Todesröcheln klangen. Ich erbrach über den Ledersessel der lieben Therapeutin und begann, das Erbrochene mit den feuchten Papiertaschentüchern abzuwischen, die ich im Lauf der Stunde in meinem Schoß zusammengeknüllt hatte. Sie sagte immer wieder, es sei in Ordnung, es würde schon in Ordnung kommen, das sei gut, und ich hätte das gebraucht, und ich wischte dabei ständig an dem Ledersessel herum. Dann ging sie hinaus und kam mit einem festeren Lappen zurück, und wir machten sauber.
Sie meinte, ich solle nach Hause gehen und einen heißen Tee trinken. In ein paar Stunden werde sie mich anrufen. Es war elf Uhr vormittag. Ich trank Gin pur. Ich, die sonst nie trinkt. Meine Mutter gab mir immer Gin pur, wenn ich meine Periode hatte, wegen irgendeiner Wirkung der Wacholderbeeren auf die Eierstöcke. Die Therapeutin rief mich tatsächlich an. Ich sagte ihr, ich hätte einen Gin getrunken und würde allmählich blau. Wir machten für den nächsten Tag einen Termin aus .«
Und dann rief Paula Harry an. Sobald sie seine Stimme hörte, fühlte sie sich erlöst, Energie strömte in ihr Herz, und die Stelle, wo ihr Schmerz gesessen hatte, schien sich mit Licht zu füllen.
Sie verabredeten sich für den nächsten Tag. Das
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