Die heimliche Lust
hier nicht dazu zwingen. Amanda wollte, daß Daniel die Wahrheit über ihr Verhältnis erfährt, weil »er wissen muß, wer ich bin«. Ob sich hinter dieser Aussage auch noch andere Motive verbergen oder nicht — sie selbst steht jedenfalls nach wie vor zu ihrer Entscheidung. Weder erzählte sie es ihm, auf daß er ihr verzeihe, noch versprach sie ihm, daß es nie wieder geschehen werde. Amanda wußte, was sie riskierte. Eine tieferschürfende Analyse ihres Verhaltens würde vielleicht ans Licht bringen, daß sie zutiefst unzufrieden mit Daniel war, bevor er unzufrieden mit ihr wurde, und daß sie ihre Ehe zu beenden versuchte; oder daß sie mit ihrer Offenbarung ihre Schuldgefühle bzw. ihre Aggressionen auf Daniel ablud, in der Hoffnung, von ihm bestraft zu werden. Oder daß ihr angeblicher Wunsch, von ihm verstanden zu werden, bloß ein Vorwand dafür war, ihm etwas Verletzendes zu sagen, eine Methode, um ihn zu betrügen, eine List, um ihn zu verlassen.
War Amandas Verhalten anerkennenswert oder gemein? War sie wirklich so ehrlich, oder machte sie sich selbst etwas vor? Versuchte sie, eine mutige neue Beziehung zu ihrem Mann herzustellen, oder wollte sie ihn und vielleicht sich selbst ruinieren? Dies alles sind Fragen, die wir endlos erörtern können, ohne auf einen grünen Zweig zu kommen.
Ich habe den Verdacht, bei dieser Erörterung könnte sich etwas herausstellen, was Empörung hervorruft: das, wovon Amanda behauptet, es sei ihr am wichtigsten, ist nicht das, was ihr unserer Ansicht nach am wichtigsten sein sollte. Ihr Beharren auf einer Beziehung, in der sowohl ihre als auch Daniels Bedürfnisse erfüllt werden und in der sie einander nicht belügen dürfen, mag manchen Leserinnen wie »utopischer Unsinn« vorkommen; andere halten sie vielleicht gar für eine selbstgerechte, narzißtische Person, die sich in die eigene Tasche lügt.
Amanda war sexuelle Treue weniger wichtig als meinen anderen Gesprächspartnerinnen — sowohl ihre eigene als auch die ihres Mannes. Das zentrale Moment einer Beziehung war für sie die tiefe Verbundenheit miteinander, die keine Heimlichkeiten kennt. Im Umgang mit ihrer Wahrheit war sie äußerst konsequent: Sie hatte nie sexuelle Treue versprochen, auch nicht zu Beginn ihrer Ehe mit Daniel, aber sie fühlte sich innerlich an ihn gebunden. Was sie sich wünschte, war weder Absolution noch Idealisierung, sondern echte Resonanz und Mitteilungsbereitschaft. Als Gegengabe bot sie Daniel dasselbe. Es gefiel ihr, die Grenzen der Sittsamkeit zu überschreiten, und dafür wünschte sie sich Verständnis. Sie sagte zu Daniel: Ich kann dir nicht versprechen, eine »brave« Frau zu sein, nach den Maßstäben, an denen Ehefrauen üblicherweise gemessen werden, aber ich kann dir versprechen, daß ich dir die Wahrheit über meine Gefühle und mein Verhalten sagen werde. Wir können eine Basis finden und zusammenbleiben, wenn auch du mir das versprechen kannst, wenn auch du dich mit all deinen Gefühlen und Unvollkommenheiten in die Beziehung einbringst.
Neun Jahre nach ihrer Heirat und zwei Jahre nach unserem ersten Treffen erlosch diese Hoffnung, die sie bei ihrer Hochzeit gehabt hatten. Amanda ging erneut auf Tournee, hatte eine weitere Affäre und erzählte Daniel nach ihrer Rückkehr wiederum davon. Zuletzt trennten sich Amanda und Daniel, obwohl kein anderer Mann dabei eine Rolle gespielt hatte. Amanda, sichtlich gescheitert mit ihren eigenen Ansprüchen an ihre Ehe, verließ Daniel, den sie als ebenfalls gescheitert beschrieb. Damit kehre ich zu der Frage zurück, die ich zu Beginn dieses Buches gestellt habe, und frage Sie nochmals, ob Sie eine solche Geschichte tolerieren können, ohne Amanda zu verurteilen, ohne sie abzutun als jemanden, den Sie lieber nicht kennen möchten oder den Sie für unglaubwürdig halten. Können Sie Daniels Verletztheit nachfühlen, ohne seine Frau dafür bestrafen zu wollen, daß sie ihn verletzte? Können Sie Amanda weiterhin akzeptieren, auch wenn sie nicht bereut, die Beziehung zu Daniel bis zum äußersten strapaziert zu haben, indem sie auf der Form des Umgangs miteinander beharrte, die sie sich wünschte? Denken Sie, es wäre besser gewesen, ihm nichts zu gestehen?
Ob Amandas Ehrlichkeit Sie entsetzt oder begeistert, ob Sie sie grausam oder mutig, feindselig oder unrealistisch finden: Sie werden auf jeden Fall einen Eindruck davon erhalten haben, wie instinktiv wir auf die eine Frage reagieren, die auf diesem unwegsamen Gebiet des Ehebruchs
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