Die heimliche Lust
alle übrigen in den Hintergrund drängt: Sollte frau ihrem Partner eine Affäre gestehen f
Ob man gestehen sollte und wann, wie, wo und warum — darüber wird heute so hitzig debattiert, wie früher darüber diskutiert wurde, ob sich Frauen überhaupt auf außerehelichen Sex einlassen sollten. Die meisten Therapeutinnen, mit denen ich darüber sprach, berichteten von Frauen, die sich durch ihr Geständnis — oder ihr Verschweigen — retteten oder ruinierten, mit anderen Worten, ihre Ehe besserten oder sich die Scheidung einhandelten.
Ist es das Faktum von außerehelichem Sex, was der Ehe schadet, oder dessen Geheimhaltung ? An dieser Frage beißen wir uns in unserer absoluten Orientierung auf die Ehe fest — und das zu einer Zeit, in der die Frauen nach ihrer eigenen Aussage weniger Glück in der Ehe finden als je zuvor und doppelt so häufig die Scheidung einreichen wie die Männer. Wie Susan Faludi in Die Männer schlagen zurück (1993) berichtet:
1986 wertete das Battelle Memorial Institute in einer großangelegten Studie amerikanische Erhebungen aus einem Zeitraum von fünfzehn Jahren aus, die zehntausend Frauen umfaßten. Es ergab sich, daß der Ehe im Leben einer Frau durchaus nicht mehr die wichtigste Rolle zukam und daß Frauen in den Dreißigern das Heiraten nicht nur hinausschoben, sondern sogar vermieden.... Die Virginia-Slims-Umfrage von 1990 fand heraus, daß fast 60 % der ledigen Frauen glaubten, sie seien viel glücklicher als ihre verheirateten Freundinnen und hätten ein »viel leichteres« Leben.... Bei der Auswertung der National-Survey-Daten von vierzehn Jahren ergab sich, daß sich in den 80er Jahren 11 % mehr zwanzig- bis vierzigjährige Single-Frauen als glücklich bezeichneten — und bei den verheirateten Frauen derselben Altersgruppe 6,3 % weniger. Falls die Ehe je dazu gedient hat, das Privatleben einer Frau glücklicher zu machen, dann, so das Fazit der Forscher, »hat diese Wirkung in den letzten Jahren deutlich nachgelassen«. Eine 1985 von Women’’s Day mit 60 000 Frauen durchgeführte Befragung ergab, daß nur die Hälfte davon ihren Mann ein zweites Mal heiraten würde, wenn sie wieder vor der Entscheidung stünden. [Hervorhebung durch S. F.]
Manche finden, nicht der Seitensprung als solcher sei es, der einer Ehe schade — er könne sie sogar retten oder zumindest vorübergehend stabilisieren — , destruktiv sei das Eingeständnis. Sie meinen, das Geständnis katapultiere den »betrogenen« Partner in archaische Gefühle der Rivalität, des Ausgeschlossenseins und der Verlassenheit. Diese Leute könnten Amanda ihre Affäre zwar nachsehen, aber sie wären empört über ihre Offenheit.
Andere finden, das Geständnis sei nötig, um nach dem Seitensprung den Kontakt wiederherzustellen, die Vertrautheit und das gegenseitige Verständnis zu erneuern. Es sei das einzige Mittel, um künftige Untreue zu verhindern. Wer diese Auffassung vertritt, verurteilt die außereheliche Heimlichtuerei als den Faktor, der die Ehe sabotiert, nicht den verbotenen Sexualakt als solchen.
Bei einem Workshop für Familientherapeuten zum Thema »Seitensprünge — was ist ihre Botschaft?« vertrat die Familientherapeutin Emily Brown die Auffassung, die Enthüllung des Seitensprungs müsse den Mittelpunkt der Behandlung bilden, wenn sich Paare in Therapie begeben und ein Partner eine Affäre hat.
Decken Sie den Seitensprung immer auf, es sei denn, es droht physische Gewalt oder juristische Vergeltung — in Fällen, wo eine Gerichtsentscheidung bezüglich des Sorgerechts oder Alimenten durch Ehebruch beeinflußt werden könnte; oder wenn Ihnen nicht gestattet ist, die Ehethematik zu explorieren — falls Sie zum Beispiel der Schulberater des Kindes sind oder nur einen der beiden Partner behandeln, oder falls der Partner, dem die Augen geöffnet werden sollen, in irgendeiner Weise nicht dafür aufnahmefähig ist.
Brown begründete ihren Standpunkt, daß der Therapeut die Behandlung des Paares abbrechen sollte, falls er von einer Affäre weiß, aber der Betreffende sich weigert, sie seinem Partner zu offenbaren. Anderenfalls bestehe nämlich die Gefahr, daß man als Mitwisser des Betreffenden dessen Partner wesentliche Informationen vorenthält und damit wie ein Komplize dessen Geheimnis deckt. Im übrigen sei immerhin nur in 40 Prozent der Fälle mit einer Scheidung zu rechnen, wenn das Geheimnis im Anfangsstadium der Paartherapie aufgedeckt wird; werde es dagegen erst zu einem späteren Zeitpunkt
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