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Die Henkerstochter und der schwarze M�nch

Titel: Die Henkerstochter und der schwarze M�nch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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»Tatsächlich, Magdalena Kuisl! «, rief er, und sein Bass tönte durch die Straßen. »Was für eine Überraschung! Komm herein, oder willst du dir vor dem Henkershaus den Tod holen?«
    Seine Hand umklammerte ihre Schulter, er schob Magdalena in die warme Stube. Ein Kachelofen bullerte leise vor sich hin, auf dem Tisch befanden sich noch die Reste des Abendbrots. Gerösteter Fasan, ein halber Laib Käse und eine aufgeschnittene Schinkenkeule. Daneben stand ein Krug Wein und eine Schale mit Weißbrotscheiben. Magdalena lief das Wasser im Mund zusammen, ihr fiel ein, dass sie seit gestern Abend nichts Anständiges mehr gegessen hatte. Philipp Hartmann bemerkte ihren Blick und machte eine einladende Handbewegung. »Setz dich und iss, für einen ist’s ohnehin zu viel.«
    Magdalena nahm Platz und griff zu. Das Brot war noch warm, sie biss in die Fasankeule und genoss das feine, weiße Fleisch. Es schmeckte wie Ostern und Kirchweih am gleichenTag. Ein Essen wie dieses konnten sich die Kuisls nur nach größeren Hinrichtungen leisten, und auch nur dann, wenn die Bezahlung angemessen gewesen war. Philipp Hartmann musterte sie wie ein schönes Tier, ansonsten schwieg er.
    Plötzlich war von oben Füßetrappeln zu hören, die Tür quietschte, und herein blickte ein etwa fünfjähriges Mädchen im Nachthemd mit rotblonden Zöpfen.
    »Geh wieder nach oben, Barbara«, sagte der Henker. »Wir haben Besuch bekommen. Die Magdalena bleibt sicher über Nacht, dann kannst morgen noch mit ihr spielen. « Sein Mund verzog sich zu einem Lächeln, eine Mimik, die ihm offenbar nicht leichtfiel. »Vielleicht bleibt sie sogar länger.«
    Magdalena schluckte den Bissen Fasan hinunter, mit einem Mal erschien ihr das Fleisch fad und trocken. Das Mädchen nickte, musterte die Henkerstochter noch einmal neugierig und verschwand dann wieder nach oben.
    »Kannst gern noch mehr haben«, sagte Philipp Hartmann und goss ihr einen weiteren Becher Wein ein. »Hab auch noch Nüsse und Spezereien. Ist hier nicht wie bei armen Leuten.«
    Magdalena schüttelte den Kopf und ließ ihren Blick über die weiß getünchten Wände, die sauber gescheuerten Kupferkessel und die emaillierten Krüge und Teller gleiten. Dafür, dass Philipp Hartmanns Frau nun schon seit über einem Jahr tot war, befand sich die Stube in einem bemerkenswert guten Zustand. Binsen und Stroh auf dem Fußboden rochen frisch, Magdalena konnte keine einzige Spinnwebe in den Ecken entdecken. Im Herrgottswinkel hing ein offenbar frisch gerahmtes Madonnenbild in Öl, direkt neben dem polierten Richtschwert. Eine Truhe aus Nussholz stand darunter, auf ihrem messingbeschlagenen Deckel stapelten sich frisches Linnen und bunte Kleider. Magdalena nickte insgeheim. Ihr Vater hatte recht gehabt, der Henker von Augsburgwäre tatsächlich eine feine Partie. Doch das änderte nichts daran, dass sie nicht im Traum daran dachte, ihn zu heiraten.
    Philipp Hartmann setzte sich jetzt neben sie, goss sich einen Becher Wein ein und prostete ihr zu. »Und jetzt verrat mir , was du um diese Jahreszeit in Augsburg zu suchen hast. Eigentlich ist’s doch der Mann, der seiner Auserwählten einen Freiersbesuch abstattet, oder macht ihr das in Schongau anders?« Wieder versuchte er ein Lächeln.
    »Es ... ist nicht ganz so, wie du denkst«, begann Magdalena zögernd. Der Besuch war ein Fehler, das wusste sie. Ihr Erscheinen hier weckte falsche Hoffnungen, aber was blieb ihr anderes übrig? Bis nach Schongau hatte sich herumgesprochen, dass die Frau des Augsburger Henkers letztes Jahr an der Schwindsucht gestorben war. Seitdem suchte Philipp Hartmann für sich ein neues Weib und für seine kleine Barbara ein gute Mutter. Für ihn als Scharfrichter kam dafür nur die Tochter eines Abdeckers oder Henkers in Frage.
    Drei Monate war es nun her, dass Philipp Hartmann den Kuisls einen Besuch abgestattet hatte, um sich Magdalena näher anzusehen. Die Männer waren sich schnell einig gewesen, und ihr Vater hatte ihr das Leben als Augsburger Henkersbraut in bunten Farben ausgemalt. Im Gegensatz zum Schongauer Scharfrichter war Philipp Hartmann vermögend. Zwar war auch er ein sogenannter Ehrloser, dem man aus dem Wege ging, doch mit Fleiß und Ehrgeiz hatte es Hartmann in den letzten Jahren zu etwas gebracht. Er galt als erfahrener Henker, aber vor allem als ausgezeichneter Heiler, zu dem sowohl die einfachen Leute als auch höhergestellte Bürger kamen, um sich kurieren zu lassen. Handwerker, Händlerstöchter, ja sogar

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