Die Herren der Unterwelt 03 - Schwarze Lust
Mühe gemacht hatte, die Sachen herbeizuschaffen. Ihr Magen knurrte. „Was ist in der Tüte?“
„Ein Hemd“, sagte er nur.
Was war los mit ihm? Er war wieder so distanziert, als hätte es die letzte Nacht nicht gegeben. Mit zusammengekniffenen Augen musterte sie ihn. In den letzten Tagen war ihr aufgefallen, dass er seine T-Shirts mindestens dreimal täglich gewechselt hatte. Sie meinte, den Grund dafür zu kennen: Er wollte nicht, dass sie die getrockneten Blutflecken sah.
Und dass er bereits heute Morgen ein neues Shirt gekauft hatte, bedeutete wohl, dass er sich zuvor geritzt hatte. Schon wieder.
„Zieh dein Hemd aus“, sagte sie.
Ein Muskel in seinem Kiefer zuckte. Er ging ins Bad und rief ihr über die Schulter zu: „Frühstücke, dusche und zieh dich an. Heute treffen wir deine Familie.“
Bei dem Gedanken tat ihr Herz einen Sprung, vor Freude, aber auch vor Nervosität, die sie letzte Nacht versucht hatte beiseitezuschieben. Ob es ihnen gut ging? Ob ihre Familie sie wohl genauso schmerzlich vermisste, wie sie, Danika, ihre Familie vermisste? Wieso waren sie zusammen, ohne sie?
Danika schob diese Fragen einen Moment beiseite, sprang aus dem Bett und huschte ins Bad. Nackt drehte sie sich um, breitete die Arme aus und stemmte sie gegen den Türrahmen, sodass sie Reyes den Ausgang versperrte.
Wenige Zentimeter vor ihr blieb er stehen. Ihre Brustwarzen wurden augenblicklich hart, streckten sich ihm, seinen Händen, seinem Mund entgegen. Der Duft nach Sandelholz, der ihn immer und überall begleitete, hüllte sie ein.
Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. „Zieh dein Hemd aus.“
Sein dunkler Blick brannte auf ihr, wanderte langsam nach unten, tiefer … und tiefer. Auf ihrer Haut bildete sich eine herrlich prickelnde Gänsehaut, ihre Beine zitterten.
„Du hast den köstlichsten kleinen Körper, den ich jemals gesehen habe“, sagte er mit glutvoller Stimme.
„D…danke. Und jetzt das Hemd. Du kannst mich nicht ablenken.“
Er legte seine freie Hand direkt unter ihre an den Türrahmen, weil er sich offensichtlich an irgendetwas festhalten musste. Das Holz ächzte unter seinem Gewicht, er selbst aber versuchte, lässig und unangestrengt zu wirken. „Ich weiß, warum dir immer so kalt ist.“
„Ich hab gesagt, dass es dir nicht gelingen wird, mich abzulenken. Außerdem ist mir durchaus nicht immer kalt. Ich kann mich an zwei Gelegenheiten erinnern, wo ich das Gefühl hatte, bei lebendigem Leib zu verbrennen.“
Seine Lippen verzogen sich leicht, sein Blick wurde noch glühender. „Na gut, nicht immer.“
„Und warum ist mir kalt? Weil die Luft kalt ist?“
Bei dieser trockenen Bemerkung wurde aus den verzogenen Lippen ein breites Grinsen. Pure Elektrizität schoss durch ihren Körper, ihre Nervenenden sprühten Funken. Dieses Lächeln, oh, dieses Lächeln! Genauso betörend wie seine Liebkosungen.
„Du bist ein Tor zum Himmel und zur Unterwelt.“ Er beugte sich zu ihr hinunter … seine Lippen streiften ihr Ohr.
Sie erschauerte.
„Manchmal verbindet sich deine Seele mit dem Jenseits und saugt Visionen daraus auf, die du dann siehst.“
Sie schüttelte ungläubig den Kopf. „Wenn das stimmt, dann hätte ich mein ganzes Leben lang frieren müssen. Aber ich kenne diese betäubende Kälte erst, seitdem ich dir begegnet bin.“
„Ich muss für dich …“ Auf der Suche nach dem passenden Wort schloss er kurz die Augen. „… eine Art Leitung, ein Kanal sein. Denn jedes Mal, nachdem ich mit dir geschlafen habe, schwebe ich im Himmel.“
Jetzt grinste sie. „Das bedeutet nur, dass ich besser im Bett bin, als ich dachte.“ Am Anfang hatten sie geglaubt, dass sie das Allsehende Auge sei, jetzt hielten sie sie für eine Art Tor? Hallo, ich bin doch nur ein stinknormales, manchmal etwas verrücktes Mädchen.
Zumindest wünschte sie sich das. Sehnlichst. Sie wollte kein Ausnahmewesen sein. Sie wollte nicht für den Rest ihres – kurzen? – Lebens verfolgt werden. Sie brauchte und verdiente Ruhe und Entspannung, verdammt noch mal. Mit Reyes. Sie könnten an einen Strand fahren, im weißen Sand faulenzen, und er könnte sich als ihr Heilmasseur ausgeben.
„Mit etwas Training könntest du wahrscheinlich lernen, Kontrolle über deine Visionen zu erlangen. Dann könntest du entscheiden, ob du lieber den Himmel oder die Hölle besuchen möchtest, wie lange du bleiben und wen du dort beobachten willst.“
Noch während er sprach, schüttelte sie schon den Kopf. Obwohl die
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