Die Herren der Unterwelt Bd. 8 - Schwarze Niederlage
schüttelte ihn jedoch ab.
Sie verschmolz mit dem dichten grünen Laub. Die Bäume und Pflanzen schienen sich nun regelrecht von ihr abzuwenden, als hätte sich die Erfahrung des Baumes herumgesprochen und als fürchteten sich nun alle vor ihr. Schade, dass man dasselbe nicht von ihren Harpyiengefährtinnen sagen konnte.
Sie hielt in jeder Hand einen Dolch, während sie in geduckter Haltung um die Lichtung herumschlich. Sie war noch etwas wacklig auf den Beinen, weshalb ihre Schritte schlurften. Sie war lauter als beabsichtigt, aber es ging nicht anders. Wennder Eindringling ihr Trampeln nicht bemerkte, so hörte er mit Sicherheit ihr Herz. Es schlug wie ein Presslufthammer auf höchster Stufe und hämmerte hart gegen ihr Rippen.
Schließlich entdeckte sie Fußspuren, die nicht von einer Harpyie stammten. Die hier waren groß, breit und tief. Wer auch immer sie hinterlassen hatte, brachte mindestens einhundert Kilo feste Muskelmasse auf die Waage.
Das schränkte die Möglichkeiten schon ein wenig ein. Sie hatte es entweder mit einem Jäger, mit Sabin oder mit Lazarus zu tun. Ihre Gedanken rasten, während sie einen Verdächtigen nach dem anderen ausschloss. Wenn es ein Jäger wäre, gäbe es noch weitere Fußspuren. Schließlich waren die Jäger wie Kakerlaken – wo sich eine versteckte, fand man auch noch tausend andere. Wenn es Sabin wäre, würde sie auch Strider wittern. Die beiden waren nie weit voneinander entfernt.
Blieb Lazarus der Tampon.
Ja, ja. Vielleicht würden sie sich endlich das längst überfällige Gefecht auf Leben und Tod liefern. Und das ausgerechnet jetzt, wo sie nicht bei vollen Kräften war. Na super!
Etwas Schweres krachte auf ihren Rücken und warf sie mit dem Gesicht voran auf den Boden. Dasselbe Gewicht drückte sich so gewaltsam gegen sie, dass ihre Flügel in ihre Schlitze gequetscht wurden, sodass sie sich nicht mehr bewegen konnte und ihre Kräfte noch weiter schwanden. Die Luft rauschte so schnell aus ihrem plötzlich dreckverschmierten Mund, dass ihr schwindelig wurde.
Sie war so fest entschlossen gewesen, sich an ihr Opfer anzuschleichen, dass sie nicht sorgfältig genug auf ihre Rückendeckung geachtet hatte. So ein Anfängerfehler! Verdammt noch mal, was war nur mit ihr los?
Das hier war noch ein Beweis für ihre Schwäche. Kein Wunder, dass ihre Schwestern sie nicht in der Luft hatten sehen wollen.
Aber trotzdem, nichts hielte sie davon ab, zu kämpfen. Sie fuhr Krallen und Fangzähne aus, doch als sie gerade versuchte, sich umzudrehen und ein Knie zwischen sich und den Angreiferzu bringen, flüsterte eine Männerstimme: „Nicht. Ich habe gewonnen und fertig.“ Befriedigung und Freude lagen in der vertrauten – geliebten – Stimme.
Strider. Im Gegensatz zu Juliettes Süffisanz störte seine sie nicht im Geringsten. Sie genoss sie sogar. Er war hier. Er war bei ihr, quicklebendig und wohlauf. Natürlich war er in Gefahr, doch im Augenblick war ihr das egal. Er war hier!
„Vertragen wir uns wieder?“, fragte er in demselben seidigen Flüsterton. Sein warmer Atem liebkoste ihr Ohr, und die pure Erleichterung durchflutete sie. Bis er hinzufügte: „Warte. Nicht antworten. Lazarus, dieser Dreckskerl, ist direkt vor uns und wartet auf dich. Er hat dir eine Falle gestellt.“
Als sie wieder bei Atem war, keuchte sie: „Was für eine Falle?“
„Eine mit Blumen, Kerzen und einem juwelenbesetzten Kelch, der vermutlich mit seinem kranken Blut gefüllt ist.“
Sie riss die Augen auf. Lazarus wollte versuchen … sie zu verführen? Warum? „Ich weiß zwar nicht, ob sein Blut krank ist, aber vergiftet ist es wahrscheinlich schon.“ Nicht wahr? Er wollte sie reinlegen. Ihr vormachen, dass er sie mochte, und sie dann umbringen.
„Wenn wir Glück haben, stirbt er vor Enttäuschung, wenn du nicht auftauchst.“
„Es muss heißen: wenn er Glück hat.“
„Guter Einwand. Ich muss mich nur noch entscheiden, ob ich ihn jetzt umbringe oder später.“
„Option Nummer zwei?“, fragte sie hoffnungsvoll.
„Den gleichen Gedanken hatte ich auch. Jetzt habe ich nämlich etwas Besseres zu tun.“ Strider wich ein Stück zurück, und sie konnte sich endlich auf den Rücken drehen. Er saß mit gespreizten Beinen auf ihrer Hüfte und sah sie mit glühendem Blick an. Seine gebräunte Haut war schmutzig, und in seinen Haaren klebte getrocknetes Blut. „Aber keine Sorge. Er bekommt noch, was er verdient hat.“
„Bist du verletzt?“ Wenn ihn irgendwer verletzt hatte,
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