Die Herren vom Berge: Historischer Kriminalroman (German Edition)
kommen, und schon war es hier drinnen genauso nass wie draußen. In diesem Moment rieselte etwas vom Dach herunter, genau in seine Augen. Ihm schwante Böses. Er nahm einen der noch halbwegs brauchbaren Stühle und stellte ihn auf den wackeligen Tisch. Behutsam stieg er auf das schwächliche Gerüst und hatte so die Dachbalken in Reichweite. Der erste Blick bestätigte seine schlimmsten Vermutungen. »Verdammter Holzwurm!«
Alle Dachbalken schienen von den Viechern befallen zu sein. Zwei Sparren sahen lebensgefährlich aus, sie waren fast völlig durchlöchert. Ludolf klopfte gegen das Holz, und an verschiedenen Stellen bröselten Späne heraus. Es war ein Wunder, dass das Dach nicht schon längst eingestürzt war.
Rasch holte er einige Hölzer aus dem Schuppen. Aber sie waren zu kurz, um sie als Stützen gegen die Dachbalken zu stellen. Er suchte Nägel und Bohrer. Aber zwischen alldem Gerümpel war nichts zu finden. Er ging zum Karren. Einen Hammer hatte er schnell zur Hand, aber nichts, um die Balken zu verbinden. Es war schon peinlich, sich als Tischler auszugeben, aber kein entsprechendes Werkzeug eingepackt zu haben. Hoffentlich merkte das niemand. Bei einem Schmied könnte man Eisennägel bekommen. Im Dorf sollte es doch sicher einen geben. Also machte sich Ludolf auf den Weg.
»Ach, da bist du! Hast dich also aus den Staub gemacht!« In einiger Entfernung sah er Agnes zusammen mit zwei anderen Frauen schwatzen. Die drei bemerkten nicht, wie er in die Straße nach rechts abbog, in die Richtung, aus der er Hammerschläge vernahm.
Er kam zu einem kleinen Haus mit einem Vorbau von der Breite des ganzen Gebäudes. Eine Esse stand an der einen Seite. Werkzeuge wie Hämmer und Zangen hingen an der Wand. Ein breitschultriger Mann stand mit nacktem Oberkörper am Amboss und vollendete ein Sensenblatt. Mit kurzen, schnellen Schlägen bearbeitete er die Schnittseite, um sie zu schärfen.
Ludolf begrüßte den Schmied. Der brummte irgendetwas Unverständliches vor sich hin, ohne hochzuschauen, und schärfte das Eisen weiter. Sollte wohl heißen, dass er gleich soweit war. Erst als die Schneide fertig war, wandte sich der Handwerker dem Fremden zu und erwiderte knapp den Gruß.
In kurzen Worten erklärte Ludolf sein Problem.
»Nehmt doch Krampen. Damit klammert Ihr die Hölzer einfach zusammen. So habt Ihr eine feste Verbindung.«
Die Idee war gut. Als Zimmermann hätte er eigentlich selbst darauf kommen müssen.
Der Schmied begann, in einem Regal nach passenden Eisen von etwa einer Spanne Länge zu suchen. Etwa ein Viertel wurde an beiden Enden umgebogen und spitz geklopft.
Währenddessen erzählte Ludolf von ihrem Einzug. Aber es kam keine Antwort. So schwieg er ebenfalls. Dies wäre eine günstige Gelegenheit gewesen, um sich vorsichtig nach Kuneke zu erkundigen, dachte er. Doch wo sollte man anfangen? Es wäre ziemlich peinlich, wenn Agnes schon etwas herausgefunden haben sollte und er nichts vorzuweisen hatte. Er konnte sich lebhaft vorstellen, wie sie voller Stolz mit ihren Erfolgen prahlte und ihn niedermachte. Diese Blöße wollte er sich nicht geben. Einen gewissen Stolz hatte er schließlich auch. »Hier am Schalksberg scheint es wirklich ruhig zu sein. Oder passiert mal etwas Aufregendes?«
Als Antwort kam nur ein mürrisches: »Ab und zu.«
»Ich habe gehört, eine Frau ist hier verschwunden.«
Der Schmied schaute kurz auf und hantierte dann weiter.
»Sie soll eine noch recht junge Witwe gewesen sein. Kanntet Ihr sie?«
»Weiber. Die kann man nicht verstehen. Mit denen hat man nur Ärger.«
»Meine Frau ist oft genug eine wahre Plage. Früher war sie nett und freundlich. Aber seit der Heirat ist sie ein Besen. Man kann sagen, was man will, es hilft einfach nichts. Sie hat ihren eigenen Kopf und will ihn auf Teufel komm raus durchsetzen.«
Der Schmied atmete tief durch. Es klang wie ein Seufzer. Mit anderen Männern schien man am leichtesten ins Gespräch zu kommen, wenn es um Frauen ging. Entweder das Schwärmen über junge, hübsche Mädchen oder die Probleme mit den Ehefrauen.
»Ich kenne auch so eine. So abweisend, dass sie mich ständig in Rage bringt.«
»Eure Frau?«
»Nein. Meine Frau ist gestorben. Ich meine die verschwundene Witwe, von der Ihr gehört habt. Sie ist meine Schwägerin, die Frau meines verstorbenen Bruders.«
Volltreffer! Wenn Agnes das wüsste! »Eure Schwägerin hat Euch abgewiesen? Warum?«
»Wer soll das schon wissen? Sie hätte froh sein sollen, dass einer sie
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