Die Herren vom Berge: Historischer Kriminalroman (German Edition)
nicht. Kuneke war zu wohlerzogen, um barsch oder ausfallend zu werden.
Nach einem Moment des Schweigens begann die ältere der beiden Frauen wieder: »Ein kleiner Ratschlag noch für Euch: Es gibt hier die Marie, sie ist Magd auf der Burg. Das ist die schlimmste Plaudertasche im Ort. Es gibt eigentlich nichts, was sie nicht weiß. Sie ist strohdumm, aber in ihrer Art, einem die neuesten Gerüchte zu unterbreiten, ganz schön hinterhältig. Wer mittratscht, ist ihre beste Freundin. Alle anderen bekommen regelmäßig ihr Fett weg. Passt ganz genau auf, was Ihr der sagt oder besser nicht sagt.«
Die Jüngere ergänzte noch die Warnung ihrer Nachbarin. »Manchmal sind diese Gerüchte richtige böse und gemein. Kuneke hat bei ihr nie ein Blatt vor den Mund genommen. Sie hat ihr an den Kopf geworfen, was sie von dem Gift hielt, das sie verbreitete. Kuneke kommt deshalb bei Marie nicht gut weg.«
»Ganz genau. Erinnerst du dich an den Sonntag, als Kuneke verschwand?«
»Ja. Marie hatte wohl irgendwas Böses gesagt, wundert mich gar nicht, und Kuneke wurde wütend. Lauter, als man es von ihr sonst kennt, hat sie sich das Gerede verbeten. Fast dachte ich, gleich liegen sich die beiden in den Haaren.«
Agnes wurde hellhörig. Noch jemand? Das waren dann schon zwei Leute, mit denen Kuneke Ärger hatte. Und genau an diesem unglückseligen Sonntag. Warum eigentlich sollte unbedingt ein Mann etwas mit ihrem Verschwinden zu tun haben? Dass eine Frau ihre Feindin beseitigte, war zwar recht selten, aber bestimmt nicht ausgeschlossen. »Habt Ihr gehört, um was es ging?«
»Nein, leider nicht. Ich bin zwar überhaupt nicht für dieses heimliche Geschnatter, aber ich wüsste es trotzdem gerne, was Marie da bloß schon wieder ausgegraben hat?« Die beiden Frauen schüttelten den Kopf. »Es war vermutlich wieder irgendwelches Gerede. Kuneke und Marie standen ein wenig abseits und unterhielten sich erst ganz normal. So schien es jedenfalls. Dann wurden beiden immer lauter. Natürlich hatten das dann die meisten auch mitbekommen. Wütend und fluchend stürmte die Magd schließlich davon. Alle hatten sich natürlich gefragt, was da los war. Man macht sich ja schließlich Sorgen um seine Nachbarn, nicht wahr?«
Die Jüngere überlegte laut: »Aber irgendwie ist Marie seitdem verändert. Sie tratscht gar nicht mehr.«
»Das ist mir auch schon aufgefallen. Keiner mag sie besonders, aber jeder merkt sofort, wenn sie fehlt. Ist sie denn krank?«
»Nein. Ich sehe sie fast jeden Tag. Sie arbeitet wie üblich irgendwo in oder um die Burg herum. Aber sie ist irgendwie viel stiller als sonst. Ob der Liebeskummer wohl schlimmer geworden ist?« Beide lachten spöttisch. Als sie bemerkten, dass die neue Nachbarin sie fragend anblickte, klärten sie Agnes auf: So wie der Schmied hinter Kuneke her war, war die Magd wiederum hinter ihm her. Das fing schon kurze Zeit nach dem Tod seiner Frau an. Marie war zu einfältig, um ihr Begehren zu verbergen.
»So, gute Frau, jetzt muss ich aber wieder los. Sonst wird mein Mann böse mit mir, wenn er zu lange auf das Essen warten muss.«
»Bei mir ist es nicht anders«, pflichtete die ältere Frau bei. »Ich will auch wieder nach Hause. Es war schön, Euch kennenzulernen. Wenn Ihr Hilfe braucht, sagt ruhig Bescheid. Wir helfen gerne.«
»Vielleicht könntet Ihr mir jetzt schon helfen«, antwortete Agnes. »Wo bekomme ich wohl ein paar Eier und ein Stück Fleisch? Vor der Abreise heute Morgen habe ich nicht mehr daran gedacht, noch etwas vom Markt zu holen.«
»Kommt doch gerade mit. Für ein paar Pfennige könnt Ihr bei uns alles bekommen.«
»Braucht Ihr auch noch Korn und Bohnen?«, fügte die zweite hinzu.
»Davon haben wir noch genug. Aber wenn es passt, komme ich gleich mit.«
Die drei Frauen gingen die Straße entlang, die um die Burg führte. Agnes war sehr zufrieden mit dem, was sie erreicht hatte. Das hätte Ludolf nie und nimmer zustande gebracht. Wie hätte er so unauffällig wie sie mit den beiden Frauen ins Gespräch kommen sollen? Dafür hatte er sich hoffentlich im Haus nützlich gemacht. Sie wollte nur noch essen und dann schlafen.
Schmied Dietrich
Wo war Agnes? Noch vor einigen Augenblicken hatte sie hustend und schniefend Gerümpel hinausgetragen und war dann verschwunden. Wollte sie sich vor dem Saubermachen drücken?
Ludolf schaute zum Dach hoch. An mehreren Stellen schimmerte der Himmel durch. Einen Schutz gegen Regen konnte man das nicht mehr nennen. Es musste nur ein Gewitter
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