Die Herren vom Berge: Historischer Kriminalroman (German Edition)
nimmt. Ich will doch nur eine gute Mutter für meinen Sohn. Wir leben in der gleichen Familie, haben beide eigene Kinder. Das hätte ...« Der Schmied schüttelte den Kopf. Mit einer unwilligen Bewegung schleuderte er den Hammer gegen das Regal. Werkzeuge und Schmiedeeisen flogen polternd herunter. Ludolf erschrak über diesen plötzlichen Ausbruch. Entweder verlor der Kerl leicht die Beherrschung oder er war wirklich tief enttäuscht. Wenn er so zuschlug, wie er den Amboss bearbeitete, konnte das für einen Gegner gefährlich werden.
»Ich hab ihr ’n rotes Halstuch geschenkt. Das hatte meiner Frau gehört. Sie hat es nur widerwillig angenommen, aber schließlich doch getragen. Sie sagte zwar, sie tue das nur als Andenken an ihre Schwägerin. Trotzdem wollte sie mich nicht heiraten. Bei einigen Frauen hilft nur eine anständige Tracht Prügel. Kuneke glaubte wohl, sie wäre etwas Besseres.«
Was meinte er damit? Vielleicht hatte er die Geduld verloren, weil Kuneke ihn nicht erhören wollte? So unbeherrscht, wie er war, würde ihn das nicht wundern. »Ihr sprecht von Eurer Schwägerin, als wäre sie schon tot.«
»Ich weiß nicht, ob sie tot ist. Keiner weiß es. Sie ist vor mehr als zwei Wochen verschwunden. Freiwillig ließe sie nie ihre Kinder zurück. Also muss sie tot sein.«
»Ist denn nach ihr gesucht worden?«
»Alle Nachbarn waren auf der Suche. Wir haben die Wälder, den Berg und die Wiesen bis unten zur Weser abgesucht. Aber nichts gefunden. Sie ist einfach verschwunden.«
»Hat sie denn keinem etwas gesagt? Ob sie vielleicht jemanden besuchen wollte?«
»Manchmal ging sie zu der Nonne auf dem Berg gegenüber.«
Ludolf wollte es genauer wissen. »Hat man denn auch drüben nach ihr gesucht?«
Schließlich wurde der Schmied gesprächiger. Der Amtmann hatte die Suche auf der anderen Weserseite mit dem Argument verhindert, dass drüben der Amtmann von Aulhausen zuständig war. Die Bewohner des Ortes waren angesichts dieser eigenmächtigen Entscheidung aufgebracht, konnten nur durch die Burgwachen, die Resenbach hatte aufziehen lassen, in Schach gehalten werden. Dem Schmied war der Zorn darüber immer noch deutlich anzusehen. »Josef Resenbach hat nicht gut über Kuneke gesprochen. Er nannte sie eine Dirne. Er hat sie immer wieder beschimpft und ihr Ärger gemacht. Ihm schien ganz gut in den Kram zu passen, dass sie weg ist.«
»Gibt es denn dafür einen Grund?«
»Einen Grund gibt es für Josef Resenbach immer; ich vermute, das stammt noch aus der Zeit, als mein Bruder Amtmann hier war und Resenbach in Neesen. Kuneke hat anscheinend irgendetwas gewusst, das ihm schaden konnte. Aber keiner weiß, was es war.«
»Ihr glaubt also an eine alte Feindschaft?«
»Josef Resenbach wird auch
der mit den klebrigen Händen
genannt. Da muss man bestimmt nicht lange suchen, um irgendeine Gaunerei zu finden.«
Konnte der Amtmann etwas mit dem Verschwinden der Frau zu tun haben? Er hatte die Suche nach ihr behindert. So verhielt sich kein normaler Nachbar. Und ein Amtmann, der Verantwortung für eine ganze Gemeinschaft tragen sollte, erst recht nicht. Aber auch der Schmied erschien Ludolf nicht ganz so harmlos. Zu unbeherrscht.
»Ihr sagtet, dass Eure Schwägerin Euch abgewiesen hat. Gab es denn einen anderen Mann, den sie heiraten wollte?«
»Sie hat nichts gesagt, aber ein Tuchhändler aus Minden hat sie andauernd besucht. Seit einem halben Jahr kam er fast jede Woche vorbei.«
»Wie kam sie denn an den?«
»Mein Bruder hatte mit ihm geschäftlich zu tun. Daher kennen sie sich wohl. Aber seit dem Tag, an dem sie verschwand, ist auch er nicht wieder aufgetaucht.« Der Schmied schwieg einen Moment. Mit leerem Blick schaute er in die Ferne. Um seine Mundwinkel zuckte es. Mit leiserer Stimme sprach er dann weiter, beinahe so, als spräche er mehr zu sich selbst als zu Ludolf. »Sie hat ihn nicht so abweisend behandelt wie mich. Das war ihr großer Fehler. Sie kommt aus einer einfachen Familie wie ich. Wir sind keine Kaufleute, aber ich kann auch für sie und ihre Kinder sorgen. Sie wollte etwas Besseres sein. Genau wie ihre hochnäsige Mutter. Es hätte alles so gut werden können.«
War das jetzt ein Geständnis, dass er seine Schwägerin umgebracht hatte? Es klang fast so, als sei seiner Meinung nach Kuneke selbst schuld an dem, was mit ihr geschehen war. Wenn er sie nicht umgebracht hatte, wusste er etwas? Er musste den Schmied dazu bringen weiterzusprechen. Ludolf seufzte: »Ja, ja. Wie soll man als Mann
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