Die Herren vom Berge: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Seite abgewinnen. Der Ausweg mit der Beichte, durch die er den Pater zum Schweigen verpflichtet hatte, war gemein, aber gut. Natürlich hatte er nicht alles gesagt. Dass er und Agnes nicht verheiratet waren, hatte er besser ausgelassen.
»Kniet nieder«, sagte der Pater.
Ludolf sank vor ihm auf den Boden.
Anno machte einen niedergeschlagenen Eindruck. Dann erteilte er die Absolution und zeichnete über dem Kopf des jungen Mannes das Kreuz in die Luft. Er lehnte sich zurück und atmete tief durch. »Jetzt könnt Ihr stolz darauf sein, mich hinters Licht geführt zu haben.«
Ludolf schüttelte den Kopf, während er sich wieder setzte. »Ganz bestimmt nicht. Ich bin froh, wenn diese Mission hier so schnell wie möglich vorbei ist. Ich habe mich nicht um diese Aufgabe gerissen. Deshalb versuchen wir, so schnell wie möglich das Geheimnis zu lüften. Wollt Ihr denn nicht wissen, was mit Kuneke geschah? Und falls ihr jemand Gewalt angetan hat, dass dieser seine gerechte Strafe bekommt? Ich glaube, dass wir bald an eine Grenze kommen werden, wo wir als Zugereiste und Fremde nicht weiterkommen werden. Da brauchen wir jemanden, der die Bewohner und ihre Verhältnisse besser kennt.«
Anno schwieg einen Moment, bevor er antwortete. »Erzählt mir bitte alles, was Ihr wisst. Vielleicht fällt mir noch etwas ein. Und ich will so gut es geht alle Eure Fragen beantworten.«
Ludolf berichtete er über das Ergebnis ihrer bisherigen Nachforschungen. Der Streit zwischen Kuneke und Josef Resenbach an dem Sonntag des Verschwindens. Kalle, der Rache geschworen hatte. Der eifersüchtige Schmied, den Kuneke abgewiesen hatte. Die tratschende Marie und der geheimnisvolle Tuchhändler aus Minden.
»Da habt Ihr an dem einen Tag aber schon eine Menge erfahren«, bemerkte Anno von Dankersen nach dem Bericht. »Aber leider ist das auch alles, was ich weiß. Wie könnte ich Euch noch helfen?«
»Ich würde gern etwas mehr über Kalle erfahren.«
Der Pater schürzte wieder die Lippen und suchte nach den richtigen Worten. »Schutten Karl. Ein Bursche, der die Weisheit wirklich nicht mit Löffeln gegessen hat. Er ähnelt da seiner Mutter. In seiner Dummheit stolpert er von einer Schererei in die nächste. Hatte sich oft in Minden herumgetrieben und dort die falschen Freunde gefunden, die ihn zum Wildern verleitet haben. Aber einen Mord traue ich ihm nicht zu. Nie und nimmer. Er ist dumm, aber nicht böse.«
»Aber er hat doch den toten Amtmann gefunden.«
Anno winkte ab.
»Nichts da. Das war ein Unfall. Das habe ich selbst untersucht.«
»Das glaube ich Euch auf der Stelle. Ich wollte nur noch einmal nachfragen, weil einige Nachbarn mir das erzählt haben. Und es war ein Schädelbruch?«
»Genau. Hier oben.« Der Pater zeigte auf die Mitte seiner Tonsur. »Er muss einen tief hängenden Ast übersehen haben, der ihn schwups vom Pferd fegte. Beim Sturz muss er unglücklich auf einen Felsen geschlagen sein.«
»Genau mittig auf dem Kopf?«
Anno nickte.
»Hatte er sich die Arme denn auch gebrochen? Oder die Hände aufgeschürft?«
»Wieso das denn?«
»Wenn man fällt, versucht man doch, sich mit den Händen abzustützen.«
»Da war bestimmt nichts. Das hätte ich gesehen. Er muss durch den Ast ohnmächtig geworden sein.«
»Dann hatte er doch sicher ein Mal vom Ast an der Stirn oder im Gesicht. Oder?«
»Nein. Nur hier an der linken Schläfe eine kleine Wunde. Die muss er bekommen haben, als er mit dem Kopf auf dem Weg landete. Und dann natürlich den Bruch vom Fall. Wollt Ihr mir nun doch unterstellen, ich hätte etwas vertuscht oder falsch gemacht?«
Ludolf beschwichtigte sofort. »Nein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ihr einen Mord decken würdet. Beileibe nicht.«
Ludolf brachte das Gespräch auf den Tuchhändler. Aber der Pater kannte ihn kaum. Er hatte ihn lediglich bei einigen Sonntagsmessen neben Kuneke gesehen und ein paar Worte mit ihm gewechselt. Ein sehr würdevoller und höflicher Herr. Für alle Anwesenden in der Kirche war es natürlich deutlich, dass er Kuneke den Hof machte. Und viele Bewohner hier bei der Burg rechneten mit einer baldigen Hochzeit. Eigentlich war keiner wirklich missgünstig. Abgesehen von Marie natürlich. Und dem Schmied Dietrich war die Eifersucht zwar ins Gesicht geschrieben, aber er hielt sich sorgsam zurück. Natürlich nur so weit er, Anno, davon Kenntnis hatte.
»Meine Frau sprach mit Kunekes Freundin, Gisela Wendt, über die Mutter. Heißt sie nicht Mechthild?«
Der Pater nickte
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