Die Herren vom Berge: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Bartholomäus hatte die Versuche, Herta zu unterbrechen, in den vielen Ehejahren bestimmt schon aufgegeben.
Herta hätte sich diesen Weg eigentlich sparen können – Agnes bekam kein Kind und würde auch nie eins bekommen. Weder die Hilfe dieser Hebamme noch die Hilfe einer anderen sollte jemals in Anspruch genommen werden. Sie würde erst schwanger, wenn Weihnachten und Ostern auf einen Tag fielen.
Agnes hörte Herta kaum noch richtig zu. Verstohlen schaute sie zu den Seiten, ob nicht zufällig jemand vorbeikäme, um sie aus dieser misslichen Lage zu befreien.
»... ein biestiges Weib, diese Mechthild. Immer die Nase höher als andere. Sie ist ja auch was Besseres. Immer hatte sie an anderen etwas auszusetzen. Besonders an ihrem Mann. Warum hat sie ihn dann eigentlich geheiratet, wenn er ihr nichts recht machen konnte? Der arme Kerl. Was musste der aushalten! Sie hat ihn ins frühe Grab getrieben. Immer: Ich bin adelig und so’n Kram. Ihr seid nur arme Handwerker, elende Bauern. Und hat selbst in einer einfachen Hütte gehaust, genau wie die Nachbarn, über die sie immer nörgelte. Eigentlich hätte sie allein die Fähigkeiten und das Recht, dem Dorf vorzustehen, nicht der Amtmann. Der ist ja von niederer Geburt und deswegen dumm. Damit hat sie sich keine Freunde gemacht. Immer alles besser wissen. Als wäre sie eine Gräfin oder Herzogin, die über das Dorf regieren müsste.«
Plötzlich war Agnes hellwach. Redete Herta Schmitts von Mechthild Fischer, Kunekes Mutter? Tante Hildegard hatte gestern so etwas Ähnliches erwähnt. »Einen Moment, bitte. Entschuldigt, dass ich Euch unterbreche. Die Frau, von der Ihr gerade sprecht, ist das die Mutter der verschwundenen Kuneke Wiegand?«
»Ja, das ist die Mutter von Kuneke. Ihr habt sicherlich schon von der Katastrophe gehört? Die lieben Kinder, nun ohne Mutter und Vater. Womit hat die Familie das bloß verdient? Beiden habe ich geholfen, auf die Welt zu kommen. So süß und klein, ganz unschuldig. Sie verstehen einfach nicht, warum ihre Mutter nicht mehr da ist. Und die Kuneke war eines der ersten Kinder, das ich in diese Welt schubste.«
Wieder musste sich Agnes anstrengen, um im richtigen Augenblick einen Satz in den Redefluss werfen zu können. Sie fragte, ob die anmaßende und gebieterische Art Mechthilds wohl die Ursache dafür gewesen sein könne, dass die junge Witwe aus dem bisherigen Leben ausgebrochen war. Es war immerhin möglich, dass sich das Verhalten der Mutter – Flucht, Lösen der Familienbande – bei der Tochter wiederholt hatte. »Ist die Tochter wegen der Mutter gegangen? Weil sie es nicht mehr mit ihr aushielt?«
Die Hebamme bekam vor Überraschung große Augen. Sie verstummte. Diesen Augenblick des Schweigens musste Agnes rasch ausnutzen. »Ich habe schon einiges von Mechthild Fischer gehört. Das Leben mit ihr scheint ja wirklich nicht einfach zu sein, obwohl sie auf den ersten Blick einen netten Eindruck macht. Ich habe gestern noch mit ihr gesprochen.«
Herta schwieg noch immer. Sie klappte den Mund langsam zu. Sie suchte nach den richtigen Worten; denn diese Frage hatte sie völlig unvorbereitet getroffen. Nun wog sie jedes Wort sorgfältig ab.
Agnes merkte, dass sie einen sehr heiklen Punkt angesprochen hatte.
»Wie kommt Ihr darauf, dass es Zwistigkeiten zwischen den beiden geben sollte?«
»Ich sprach mit Gisela, Kunekes Freundin. Die erzählte mir von den Ansprüchen, die die Mutter an den neuen Schwiegersohn stellt.«
Herta nickte langsam. »Ja, ja. Das stimmt. Mechthild Fischer weiß ganz genau, welcher Schwiegersohn ihrem Stand entsprechen würde. Wenn es kein Adeliger oder Ritter sein kann, ist ein reicher Kaufmann fast genauso gut. Halt Stadtadel. Ludingher Dudenhausen ist für Mechthild die perfekte Wahl.«
»Aber würde sich Kuneke von der Mutter zu der Verbindung zwingen lassen?«
Herta schüttelte heftig den Kopf und hob abwehrend die Hände. Ihre Rede nahm wieder an Fahrt zu. »Oh, oh. Nie und nimmer. Wie gesagt, ein netter und wohlhabender Mann, angesehen und sehr höflich. Aber ich traute ihm von Anfang an nicht. Diese heimlichen Zeichen und versteckten Blicke zwischen ihm und Mechthild, dieses offensichtliche Buhlen, das ist keinem entgangen. Und den sollte sie erhören? Sie fühlte sich wie eine Kuh, die auf dem Markt verschachert werden sollte. Das will bestimmt keine Frau. Das könnt Ihr mir glauben. Ich hätte meiner Mutter was erzählt.«
»Ist das aber Grund genug, einfach abzuhauen?«
»Kuneke?
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