Die Herren vom Berge: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Lebens wurden zwei vernichtet.
War Kuneke fort, um sich ihr Kind entfernen zu lassen? Eigentlich dauerte es nur einen Vormittag, aber sie wurde nun schon zwei Wochen vermisst. Wenn es Probleme bei der Engelmacherin gegeben hatte, lag sie nun vielleicht im Fieber oder war sogar daran verstorben. Agnes musste wieder an den Händler aus Minden denken. Hatte er seine Hände mit im Spiel? Der Händler fürchtete um sein Ansehen in der Stadt. Es war schon genug, dass er eine Witwe heiratete, die zwei Kinder des verstorbenen Mannes mitbrachte. Aber dazu kam noch, dass sie mit einem Bastard unterm Herzen vor den Altar trat. Ein gefundenes Fressen für Tratsch und höhnisches Gelächter in der Händlergilde und im Stadtrat, dem er sicherlich angehörte. Ein angesehener Tuchhändler sollte sich nicht darauf einlassen. Das Kind musste weg. Einen anderen Erben konnte man immer noch zeugen.
Ludolf trifft einen Bauern
Die Sonne stieg immer höher und brannte unbarmherzig. Dieser Tag war zwar nicht so heiß wie der gestrige, denn das Gewitter hatte eine merkliche Abkühlung gebracht, aber dennoch fühlte Ludolf die gleißenden Strahlen deutlich auf seinem Kopf. Er sollte wirklich daran denken, bei dem Wetter einen Hut aufzusetzen, wenn er sich keinen Sonnenbrand einfangen wollte.
Ludolf wollte bis Mittag zurück bei der Burg sein, um sich während der größten Hitze ein wenig ausruhen zu können. Nachdem er die beiden abweisenden Fischer verlassen hatte, kam er nun wieder an der kiesigen Uferstelle vorbei, von der man die angrenzenden Felder sehen konnte. Der Bauer, den er vorhin schon gesehen hatte, stand nun am Ufer und beobachtete, wie Ludolf näherkam. Er blickte immer noch so mürrisch und feindselig drein wie auf dem Hinweg. War Ludolf auch hier durch eine Pacht gefahren? Wenn das so weiterginge, würde er noch als Fischräuber und Reusendieb von der Schalksburg bekannt. Er musste grinsen. Das sollte der Bischof hören. Der würde sich freuen. Ludolf grüßte den Bauern abermals.
Ohne den Gruß zu erwidern, sagte der Mann: »Ich hab gehört, wie Ihr mit den Fischern aus Minden gesprochen habt. Ihr sucht jemanden?« Das war eher eine Feststellung als eine Frage.
»Wir suchen Kuneke Wiegand. Vor zwei Wochen ist sie verschwunden.«
Der Bauer nickte bedächtig. »So heißt sie also.«
»Ihr kennt sie? Habt Ihr auch von ihrem spurlosen Verschwinden gehört?«
Er schüttelte den Kopf. »Hab sie gefunden.«
»Waaas??« Ludolf blieb vor Überraschung das Herz stehen. Der Auftrag war erfüllt! Und das nach nur zwei Tagen Suche! Er konnte kaum fassen, was er da hörte. Der Bauer blieb völlig ungerührt.
Ludolf fuhr mit einigen kräftigen Stößen zum Ufer auf den knirschenden Kies und sprang heraus. Hastig fragte er: »Lebt sie noch?« Als der Bauer nicht sofort antwortete, trieb er ihn an: »Was denn? Sagt doch schnell!«
»Ganz ruhig. Alles der Reihe nach.«
Ludolf entschuldigte sich.
»Vor etwas mehr als zwei Wochen, am Montag, lag se da vorn. Ein Stück weiter das Wasser hoch. Hinter einigen Büschen halb im Wasser.« Er zeigte mit der Hacke in die angegebene Richtung. »Eine verdammt hübsche Frau war se. Sie hatte eine schlimme Kopfwunde. Irgendjemand hat ihr einen auf den Kopp gehauen.«
Ludolf konnte sich nicht zurückhalten. Der Kerl brauchte ja Ewigkeiten, um zum Punkt zu kommen! »Sie war also tot?«
Der Bauer machte ein übertrieben nachdenkliches Gesicht, legte seine Stirn in Falten und strich sich bedächtig durch seinen Bart. Er schaute nach links, nach rechts, verzog sein Gesicht. Ludolf verstand das Gebaren nicht.
Der Bauer sah das ratlose Gesicht seines Gegenübers. »Junger Mann, ich helfe ja gerne. Aber für meine Bemühungen hatte ich Auslagen, ich konnte nicht arbeiten, kam zu spät zum Markt, konnte nicht genug verkaufen und habe mir mit dem Blut die Klamotten versaut. Ich helfe ja. Das gehört sich halt. Aber könntet Ihr mir ein wenig beim Nachdenken helfen?« Und sofort streckte er seine offene Hand aus.
Ach, so einer ist das, dachte Ludolf. Wo war nur die Nächstenliebe geblieben? Am liebsten hätte Ludolf dem Kerl eine geknallt für diese Unverfrorenheit. Aus dem Leid anderer Gewinn ziehen! Aber das spielte jetzt keine Rolle. Er musste dringend wissen, was der Mann über Kuneke berichten konnte, und wollte sich nicht um fehlenden Anstand und verkümmerte Moral eines Bauern kümmern. Also nahm er einen halben Schilling aus der Tasche und reichte sie dem Bauern.
Der schaute sich die
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