Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste
mit Eurem Ansinnen zu tun?«
»Liegt das nicht auf der Hand? Alberic wird eines Tages Senator von Rom, das ist wohl kein Geheimnis. Und als Stiefsohn des italienischen und womöglich bald auch niederburgundischen Königs . . . Ihr versteht, Vater, dass ich eine Stimme und Hand brauche, die meinen Sohn würdig auf diese Verantwortung vorbereitet. Alberic braucht Eure – wie soll ich sagen – innere Festigkeit.«
Odos Augen glitzerten stolz. Er schien es zu bemerken, denn plötzlich wandte er sich scheinbar nachdenklich ab. »Selbst wenn ich Alberics Lehrer werden wollte, ginge es nicht. Meine Klöster . . .«
»Der Papst wird Euren Klöstern die Privilegien geben, die Ihr erbeten habt. Noch heute. Das verspreche ich.«
Abrupt wandte er sich ihr wieder zu. »Das ist nicht in Gottes Sinne, wenn Ihr den Oberpriestern der Kirche Befehle erteilt.«
»Aber Eure Reform der burgundischen Klöster, die ist doch wohl in Gottes Sinne, oder?«
Odo nickte.
»Also bitte, wenn ich dem himmlischen Sinn ein wenig irdischen Nachdruck verleihen kann, ist das doch nicht ehrenrührig.«
Odo rang mit seinem Gewissen. Konnte es sein, dass Gott durch die Stimme dieser Frau zu ihm sprach? Dass ausgerechnet sie es war, die ein heiliges Werk ermöglichen würde? In der Bibel fanden sich einige solcher Beispiele. Doch noch blieb Odo skeptisch.
»Ihr seid keine gute Christin«, brummte er dunkel. »Ihr geht nicht zu den Gottesdiensten.«
Marocia nickte. »Matthäus 6,5. ‹Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht sein wie Heuchler, die gern in den Synagogen und Straßenecken stehen und beten, damit sie von den Leuten gesehen werden. Wenn du betest, so geh in dein Kämmerlein, und schließe die Türe zu, und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird es dir vergelten.›«
Aus dem Munde dieses mit üppiger Schönheit und lasterhaftem Reiz ausgestatteten Weibes die Worte des Herrn zitiert zu bekommen – noch dazu in getreuer Wiedergabe – war ebenso verblüffend wie überzeugend. Gott steckte in ihr – irgendwo. Odo würde also ein ganzes Jahr als Alberics Lehrer in Rom fungieren, als Gegenleistung dafür, dass er so viele Klöster gründen durfte, wie er wollte, ohne künftige Genehmigung der Bistümer oder Roms. So sehr er sich auch anstrengte, er konnte in diesem Handel kein Teufelswerk entdecken. Doch von diesem seltsamen Handel erfahren sollte nach Möglichkeit niemand. Wer würde noch eine Klosterreform hin zur Spiritualität und Entsagung wollen, wenn sie Folge eines Handels wäre, eines Handels mit der Hure von Rom!
Nachdem Marocia ihre Wünsche bezüglich Cluny Johannes mitgeteilt und sich verabschiedet hatte, geriet dieser in Rage. »Wie kann dieses Weib es wagen«, schrie er durch den leeren Saal, »mir so offensichtlich Befehle zu erteilen! Ich werde zum Gespött der Leute.«
Desiderius vermied, den Papst darauf hinzuweisen, dass er schon längst zum Gespött geworden war. »Es ist nun an der Zeit«, empfahl er stattdessen, »das Problem ein für allemal zu lösen.«
»Du meinst . . .«
Desiderius nickte gelassen. »Ich habe einen Plan, Heiligkeit, der Euch vollständig hinreißen wird.«
Was Johannes nicht ahnte, war, dass Desiderius diesen Satz wörtlich meinte.
29
Der römische Herbst des Jahres 928 begann mit Dauerregen. Viele Tage lang prasselte das Wasser in dicken Tropfen vom Himmel, und wer nicht auf die Straßen musste, blieb im Haus. Da die Stadt über eine antike, aber intakte Kanalisation verfügte, lief das Wasser von den gepflasterten Gassen gut ab, aber der Tiber führte Hochwasser aus dem Apennin und den Zuläufen der Sabiner Berge mit sich. Selbst als die Sonne noch einmal ihre ganze Kraft entfaltete und den Sommer zurückbrachte, ging das Wasser im Flussbett nicht zurück, und so brauchte man nur seinen Arm über die Terrassenmauer der Villa Fortuna zu halten, um ihn im Tiber baden zu können.
Was für die Kinder ein Spaß hätte sein können, erfreute jedoch nur Marocia und ihren Schwager Guido, den sie zu einem Besuch nach Rom eingeladen hatte. Clemens hingegen verzog beim Anblick des braungelben Wassers nur das Gesicht, Eudoxia interessierte sich überhaupt nicht dafür, und Alberic gab lieber die neuesten Lektionen seines Lehrmeisters Odo zum Besten.
»Es gibt zweiundsiebzig eherne Regeln in Cluny«, berichtete er den Versammelten enthusiastisch. »Eine der wichtigsten Regeln der Cluniazenser besagt, dass sie sich siebenmal täglich zur
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