Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste
dem Raum eine besondere Note gab. Zwischen den üppigen Teppichen und arabesken Wänden, den zahlreichen Truhen, Kommoden, farbigen Stoffen, dicken Büchern und sonstigem luxuriösem Zierrat strahlte sie eine wohltuende Strenge aus.
»Mathaswintha«, erklärte Marocia. »Eine gotische Königin des sechsten Jahrhunderts. Sie war eingesperrt wie ich, und als sie die Gelegenheit bekam, rächte sie sich bitter an denen, die schuld daran waren.«
»Ein unheimliches Weib«, stellte Blanca fest und warf einen letzten Blick in die Augen der Statue. »Ob man dich in vierhundert Jahren wohl ebenso darstellen wird wie Mathaswintha?«
Marocia schmunzelte. »Mich wird man überhaupt nicht darstellen, meine Liebe. Dafür werden die Geschichtsschreiber schon sorgen.«
Sie gingen zu einem der Fenster und blickten nach unten, wo der Tiber dunkel und langsam im matten Licht des Nachmittags strömte. Ein Boot, ein kleiner Ruderkahn, glitt vorüber, angetrieben von einem leicht bekleideten Halbwüchsigen. Ein Greis in Lumpen warf zwei Netze aus und holte sie einen Lidschlag später wieder ein, immer und immer wieder. Als die beiden Tiberfischer nach oben sahen, winkten sie zum Fenster hinauf, obwohl das unter Strafe stand, und Marocia antwortete ihnen mit gleicher Geste.
Blanca sah das zufriedene Leuchten in Marocias Augen. Erlebnisse wie dieses eben, wenn die Zuneigung der Römer bis in die Mauern des Kastells drang, gaben Marocia Mut und Kraft für Monate.
»Erzähle mir von der Taufe«, bat Marocia. »Du warst doch dabei, nicht wahr?«
»Ziemlich weit hinten. Aber das Geschrei des Knaben drang bis in die letzten Reihen. Alberic hat ihn Octavian genannt. Seltsamer Name, finde ich.«
»Der Rufname des Kaisers Augustus«, erklärte Marocia. »Es scheint, Alberic macht Ernst damit, das Imperium Romanum wieder erstehen zu lassen – zumindest in den Taufregistern.«
Blanca warf ihrer Halbschwester einen gespielt vorwurfsvollen Blick zu. Sie kannte niemand anderen, der so polemisch und scharfzüngig und gleichzeitig so liebevoll wie Marocia sein konnte. Vielleicht war es diese ungewöhnliche Verbindung von Eigenschaften, die sie selbst und viele andere Menschen so anziehend an ihr fanden.
»Es ist eine Schande, dass Alberic dich nicht hat teilnehmen lassen, nachdem du schon vor zwei Jahren nicht zur Hochzeit . . .«
Marocia hob abwehrend die Hand. »Vielleicht ist es besser so. Hast du mit ihm sprechen können? Geht es ihm gut?«
»Ich
hätte
mit ihm sprechen können. Da er sich aber weigert, Alazais und Crescentius zu empfangen, weigere ich mich, mit ihm zusammenzutreffen. Er hat wirklich einen Hass auf alles, was Hugo betrifft – nur auf Alda nicht. Sie setzt sich übrigens unentwegt bei Alberic für dich ein.«
Marocia blickte in den Hof hinab, wo ihre beiden Kinder von Hugo miteinander spielten. Alazais begann mit ihren dreizehn Jahren zu einer schlanken Schönheit zu erblühen, während Crescentius, der sechs Jahre jünger war, schon jetzt robust wirkte. Sie würden eines Tages den Geschwisterpaaren in hundert Heldensagen gleichen – zumindest äußerlich. Was das Innere anging . . .
Alazais strauchelte, von ihrem Bruder gejagt, über eine Stoffbahn ihres Gewands, und Crescentius legte daraufhin den Kopf in den Nacken und lachte, so dass es in den Himmel schallte. Augenblicklich schloss Marocia die Augen, wie nach einem Stich, wandte sich vom Fenster weg und ließ sich auf einem breiten roten Diwan nieder.
»Ja, es ist eigenartig«, griff Marocia die letzte Bemerkung Blancas seufzend auf. Sie stützte ihr Kinn auf die Fingerspitzen und fuhr nachdenklich fort: »Die Kinder, die ich geboren habe, behandeln mich wie eine Aussätzige, und die, denen ich eine Stiefmutter war, beten mich an. Das Leben ist eine Posse, meine Liebe, und Gott hat mehr Humor, als wir gemeinhin annehmen.«
Blanca setzte sich neben Marocia und streichelte ihre Wange. »Ich habe beobachtet, wie du eben Crescentius angesehen hast. Er erinnert dich an ihn. Nicht wahr, du hast Hugo noch immer nicht überwunden?«
Marocia sah sie mit unergründlichem Ausdruck an, aber schwieg.
»Auf deinem Schreibtisch«, sagte Blanca, »liegen mehr Briefe als auf dem des Papstes und Alberics zusammengenommen. Du bist über alles unterrichtet, was in Italien vorgeht.«
»Und darüber hinaus.«
»Du hast deine Finger in allem.«
»In allem«, bestätigte Marocia. »Wie die Heilige Mutter Gottes.«
»Warum kannst du nicht loslassen?«
»Was loslassen?«
»Hugo.
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