Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste

Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste

Titel: Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
Vom Netzwerk:
wären noch immer zwei separate Länder, durch nichts zusammengehalten als durch ein einziges Menschenleben. Aber was, wenn Otto stirbt? Dann wählt jedes Land wieder seinen eigenen König, und alles ist dahin. Folglich muss es einen erblichen Kaisertitel geben, der die beiden Titel überspannt. Wir müssen ein Imperium etablieren, das genauso mächtig ist wie das Byzantinische, aber im Abendland verwurzelt ist.«
    Crescentius hob die Augenbrauen, auf die gleiche Art, mit der sie es zu tun pflegte. »Otto ist Witwer. Wollt Ihr Kaiserin werden?«
    Erneut lachte Marocia hell auf. »Mein lieber Junge, ich bin wohl kaum noch das, was man eine gute Partie nennt – sonst würde ich nicht immerzu diese Kinnbinden und schrecklichen Haarschleier tragen. Nein, den Mädchentraum, jemals die Krone eines Reiches zu tragen, habe ich aufgegeben. Und doch werde ich bis zu meinem letzten Atemzug für dieses Reich streiten, sei es, um mehr Frieden in unser zerrissenes Land zu bringen, sei es, um eine neue Idee in dieses visionslose Zeitalter zu tragen und ein neues strahlendes Rom zu schaffen – oder einfach, um mich zu beschäftigen. Manchmal weiß ich das selbst nicht so genau. Aber eines ist gewiss: Dieser Kampf ist mein Lebenselixier.«
    Er sah sie nach wie vor unbeeindruckt an, so als habe sie vor ihm nicht eben gerade ihr Innerstes nach außen gekehrt, sondern das Rezept für capuanischen Hirschbraten offenbart. Er war wirklich ein Mysterium, dachte sie und erinnerte sich, dass ihr schon einige Male das Gleiche nachgesagt worden war. Womöglich war er ihr ähnlicher als jeder andere.
    »Habe ich dich enttäuscht?«, fragte sie.
    »Im Gegenteil. Genauso habe ich mir all die Jahre meine Mutter vorgestellt.« Wenn er das als Vorwurf gemeint hatte, verbarg er ihn geschickt, denn er fuhr fort: »Ich möchte mich nützlich machen. Gebt mir eine wichtige Aufgabe. Zum Beispiel diese Briefe dort. Einer ist doch gewiss für Otto, oder? Lasst mich die Botschaft überbringen.«
    »Ich wollte Suidger schicken . . .«
    »Der Mann ist schwerer als ein Bär, kein Pferd hält so etwas lange aus«, rief er und sprang auf. »Ich kann doppelt so schnell reiten wie er. Und was könnte vertrauensvoller auf den König wirken, als wenn Ihr ihm für eine so wichtige Nachricht einen Sohn schickt?«
    So stand er vor ihr, im ganzen Feuerglanz seiner Jugend, agiler als Clemens und ergebener, als Alberic es je gewesen war, ein Sohn, wie sie sich immer einen gewünscht hatte. Spontan ergriff sie seine Wangen und streichelte über sie hinweg. Wie sehr bereute sie jetzt, dass sie Crescentius als Säugling und Jungen abgelehnt hatte! Die Zeit war besser als ihr Ruf; sie vermochte so vieles zum Guten zu ändern.
    Sie schluckte. »Als du damals geboren wurdest . . . nachdem dein Vater mich eingesperrt hatte . . . da habe ich ihn so gehasst, dass ein Schatten davon auch auf dich fiel. Ich . . . ich weiß jetzt, wie ungerecht und falsch das war, und ich möchte es wieder gutmachen.«
    Sie schluckte erneut. Langsam schloss ihre Hand sich um eine der Schriftrollen und übergab sie Crescentius’ zupackender Faust. Sie beugte sich nach vorne und küsste ihn auf beide Wangen; soweit sie sich erinnerte, war es das erste Mal. Einen Moment lang versenkte sie ihren mütterlichen Blick in seine Augen, dann stand er auch schon auf und ging geradewegs aus dem Raum.
    Er hatte kaum die Türe hinter sich geschlossen, da lehnte er sich schon an ihr dunkles Holz. Weder das zuckende Licht der Fackeln noch eine vorbeikommende Wache lenkten seinen starren Blick ab. »Das reicht nicht, Marocia«, flüsterte er.

39
    »Ei, ei«, sagte Berengar von Ivrea, »wer hätte gedacht, dass der Sohn des Mannes, der mich einst auf einer Waldlichtung abstechen wollte, einmal mein Gast wird? Und nach zehn Minuten noch seinen Kopf auf den Schultern trägt?« Der Markgraf von Friaul brach in ein Stakkato dumpfer Lacher aus, das derart rasch wieder endete, dass Crescentius nicht die Zeit fand, höflich darin einzustimmen.
    Ächzend ließ Berengar sich auf einen weichen Diwan in der großen Wohnhalle seines Palastes in Verona fallen und sah zu, wie zwei nur leicht bekleidete Dienerinnen gesottenen Fasan mit gedünsteten Mirabellen servierten. Mit der Hand wedelte er sich den fruchtig-herben Duft der Speise zu, doch dann schien ihm schon diese Bewegung zu viel zu werden, und er ließ den Arm träge sinken. Die Dienerinnen jedoch ließen Berengar nicht lange hungern und reichten ihm einen Silberteller,

Weitere Kostenlose Bücher