Die Herrin der Pyramiden
bringe ihn dir zurück.«
Seneferu ließ meine Hand nicht los, als er zu Neferakhets Wagen hinüberging, um Tutmosis zu suchen. Der König nahm seinen Sohn auf den Arm und hielt dessen kleine Hand in seiner, während ich in kurzen Worten berichtete, was geschehen war.
»Hauptmann Neferakhet!«
»Euer Majestät?« Neferakhet kniete vor ihm und vergrub sein Gesicht im Sand. Er wagte keinen Laut.
»Du hast dem Erben des Reiches das Leben gerettet, Hauptmann. Ich will dir dafür danken. Begleite mich nach Mempi!«
Mit offenen Augen lag ich auf meinem Bett. Ich fand keine Ruhe, bevor ich nicht mit ihm gesprochen hatte. Ich stand auf und zog mich an.
Leise schlich ich durch die nächtlichen Korridore, öffnete eine Tür und trat ein. Im Licht des Mondes erkannte ich seinen Arbeitsraum. Er war leer. Also schlief er schon. Ich schloss die Tür hinter mir und ging weiter.
Eine Weile saß ich neben seinem Bett und betrachtete den Schlafenden. Wie sollte ich beginnen? Was wollte ich ihm sagen?
Die ersten Worte sind immer die schwersten.
Ich streckte die Hand nach ihm aus und zog sie wieder zurück. Warum tat ich das überhaupt? Wer zwang mich dazu? Warum machte ich nicht einfach weiter wie bisher? Ich hatte eine Entscheidung getroffen! Bis hierher war ich gegangen, und ich würde diesen Weg zu Ende gehen.
Dann fasste ich ihn an der Schulter. Khufu sah mich schlaftrunken an. Als er mich erkannte, setzte er sich auf. »Nefrit, bei allen Göttern, was machst du in meinem Schlafzimmer?«
»Ich will mich bei dir entschuldigen, Khufu.«
»Wofür?«
»Ich habe dir im Laufe der Jahre viele Dinge zu Unrecht gesagt. Ich habe dich Taten verdächtigt, die du nicht begangen hast.«
»… die ich nicht begangen habe?«
»Du hast Sekhem nicht ermordet.«
»Nein. Das habe ich dir schon gesagt.«
»Du hast das Feuer in Sarenputs Grab nicht gelegt.«
»Nein, natürlich nicht. Wie kommst du auf diese unsinnige Idee?«
»Du hast die Ptah-Statue nicht umgestürzt, um mich zu ermorden. Und du hast Tutmosis nicht entführt. Ich will mich entschuldigen, dass ich dich dieser Taten verdächtigt habe.« Er starrte mich wortlos an. »Anderes kann ich dir jedoch nicht verzeihen, Khufu. Die Vergewaltigung in der Wüste …«
»Wenn wir schon ehrlich miteinander sind, Nefrit: Ist Tutmosis mein Sohn?«
»Ich war schwanger, Khufu, aber ich habe das Kind getötet.«
Er sah mich nachdenklich an, als habe er nichts anderes erwartet.
»Können wir uns auf einen Waffenstillstand einigen, Khufu?«
»Ehrlich gesagt, habe ich die Auseinandersetzungen mit dir immer genossen. Du bist besonders schön, wenn du wütend bist. Irgendetwas ist in deinen Augen …«
Ich reichte ihm die Hand. Er ergriff sie und führte sie an seine Lippen.
»Hör auf, Khufu! Du bist ein attraktiver Mann, und das weißt du. Die Frauen sinken dir reihenweise zu Füßen, um in dein Bett zu kriechen. Aber ich bin keine von ihnen!«
»Du sitzt auf meinem Bett, Nefrit!« Er ließ meine Hand nicht los. Mit der anderen Hand strich er langsam an der Unterseite meines Armes nach oben, bis zur Schulter, bis zu meinen Brüsten. Dort verweilte die Hand. Er sah mir in die Augen. »Sag, dass du es auch willst!«
»Ich will es nicht!«
Sein Arm legte sich um meinen Nacken, und er zog mich zu sich herunter. Dann küsste er mich auf die Lippen. Ich schlug auf ihn ein, aber sein Griff war eisern.
In diesem Augenblick stand Kanefer in der Tür. Mit einem Blick erfasste er die Situation. Khufu ließ mich los und richtete sich auf.
Ich sah förmlich die Funken zwischen beiden Brüdern fliegen.
Eine Weile stand Kanefer unbeweglich in der Tür und sah auf uns herab. »Nefrit, ich hatte mich gewundert, dein Bett leer zu finden.«
»Du hast mich gesucht?«
»Dich und Khufu. Ihr sollt sofort zum König kommen. Es ist etwas geschehen.«
»Das hat uns gerade noch gefehlt!«, seufzte ich, als ich die Zeilen des Briefes von Djedef aus Amurru gelesen hatte. »Es wird wieder Krieg geben.«
»Das kann ich nicht ausschließen.« Kanefer war beunruhigt.
Khufu riss mir den Brief aus den Händen und begann zu lesen:
»Djedef an Seneferu. Die Ereignisse, wie wir sie vor Monden im Feldlager vor der Schlacht mit Sargon besprochen haben, sind eingetreten! Abischai, der Bruder des hingerichteten Fürsten Adonija, hat sich zum rechtmäßigen Nachfolger seines Bruders erklärt. Er sammelt seine Truppen gegen meine Regimenter. Er hat Schwerter aus sumerischen Schmieden und offenbar
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