Die Herrin Thu
wieder in den Goldenen Skorpion mußte. Ob ich Hui besuchen sollte? Bei dem Gedanken mußte ich lachen und beschleunigte meinen Schritt.
In der Stadt gab es viele kleine Marktplätze. Ich bog ein paar Mal falsch ab und legte mich mit einem Mann an, dessen geduldiger Esel mit langen Tragen voller großer Tonkrüge beladen war und die verstopfte Gasse blockierte, auf der ich entlangschlenderte. Unversehens kam ich auf einen besonnten Platz, auf dem munteres Leben und Treiben herrschte. Man hatte Tische aufgestellt und Sonnendächer entfaltet, Rinder packten Körbe aus, die alles enthielten, von frisch gepflücktem Salat, auf dessen zarten grünen Blättern noch Tautropfen zitterten, bis hin zu unbeholfen bemalten Abbildern verschiedener Gottheiten, die aufgestellt wurden, damit Andächtige aus der Provinz sie ehrfürchtig anstaunen konnten. Zwischen den halb aufgebauten Ständen bewegten sich bereits Diener mit leeren Körben am Arm, während sie die Waren begutachteten, die auf dem Eßtisch ihrer Gebieter landen würden. Im Schatten am hinteren Ende des Platzes sammelten sich allmählich Gruppen von Männern und Frauen, die darauf warteten, eingestellt zu werden.
Kaum jemand warf mir einen Blick zu, als ich mir einen Weg durch das Gewühl bahnte. Das Wasser lief mir im Mund zusammen, als ich im Vorbeischlendern den auf einem Kohlebecken brutzelnden Fisch roch, über den sich ein Mann beugte, doch warmes Essen ließ sich nicht stehlen. Und es war auch zwecklos, mit einer der Enten wegzurennen, die sich schlaff auf einem anderen Stand türmten, denn selbst wenn ich ein Messer zum Ausnehmen hatte, so doch kein Feuer, über dem ich sie braten konnte. Ich gab mich mit einer Handvoll getrockneter Feigen, einem Laib Brot und ein paar weggeworfenen Salatblättern zufrieden. Die Besitzer der Feigen und des Brots waren in ihren morgendlichen Tratsch vertieft und hatten nicht mitbekommen, daß ich lange Finger machte, aber der Mann mit dem Salatstand lauerte mit steinerner, wachsamer Miene hinter seiner Ware, daher konnte ich nur den Abfall aufsammeln, den er hinter sich geworfen hatte.
Flink verzog ich mich mit meinem Essen das kurze Stück bis zu einem Hathor-Schrein. Zu dieser Tageszeit lag das kleine Reich der Göttin verlassen, daher konnte ich mich auf die Erde setzen, den Rücken in ihre Nische gedrückt, und in Ruhe essen. Als ich fertig war, erschienen jedoch ein paar Frauen zur Andacht, und ich war gezwungen, mich vor ihren mißbilligenden Blicken zu verstecken. Mein Magen war zwar angenehm voll, doch nach einer Nacht unter dem Pier war ich dreckig, mein Haar voller Staub, Füße und Beine grau, mein Kittel fleckig. Ich machte mich also zu den Wassern von Re auf der Westseite der Stadt auf, wo ich einigermaßen ungesehen baden zu können hoffte. Ich wußte, daß sich wie an einem Teil des Residenzsees und der Wasser von Avaris auf der Ostseite auch neben den Wassern von Re Kasernen entlangzogen, doch südlich davon lagen die Armensiedlungen, erstreckten sich nördlich der Ruinen der altehrwürdigen Stadt Avaris, und dort würde man mich völlig übersehen.
Ich kam nur langsam voran, denn ich mußte den kleinen Soldatenpatrouillen ausweichen, die wahrscheinlich in Geschäften unterwegs waren, die nichts mit mir zu tun hatten, die ich aber dennoch fürchtete. So erreichte ich den westlichen Rand der Stadt erst, als die Sonne hoch am Himmel stand. Hier, am verschlammten Ufer, blieb ich stehen. Weiter rechts konnte ich hinter ein paar verkümmerten, schlaffen Bäumen die Mauer des Militärbezirks ausmachen. Zu meiner Linken und hinter mir befand sich eine ausgewucherte Ansammlung von Lehmziegelhütten, die man in eine heiße, graslose, lärmende und verwilderte Ödnis gesetzt hatte. Die durchschritt ich beherzt, denn im Vergleich zu den Landstreichern bei den Docks waren ihre Bewohner größtenteils harmlos. Es waren Bauern, die ihre Dörfer verlassen hatten, weil sie glaubten, in der Stadt wäre es schöner, oder die städtischen Armen, die gesetzestreu und genügsam waren. Das Stück festgetretene Erde, auf dem ich stand, war menschenleer und briet in der Sonne, aber ich wußte, abends würden die Frauen mit ihrer Wäsche kommen und sie auf die Steine im Wasser klatschen, während ringsum ihre nackten Kinder jubelten und spritzten.
Im Augenblick war ich allein. Ich legte den Gürtel ab und zog mir aufatmend den Kittel über den Kopf. Das Messer vergrub ich vorübergehend im nassen Sand unter plätschernden Wellen
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