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Die Herrin von Avalon

Die Herrin von Avalon

Titel: Die Herrin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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der Wächter zu sein, so hat SIE sich verpflichtet, über dich zu wachen. Das Band des Schicksals und der Dienst an der Göttin machen dich zum Auserwählten ... «
    Sie sah ihn plötzlich an und fragte mit belegter Stimme: »Erinnerst du dich nicht? Deiner Herkunft nach stammst du von den Menapiern, aber deine Seele ist sehr viel älter. Du hast das schon einmal getan! «
    Carausius überlief ein Schauer. Er blickte auf die dunklen Flecke seines Blutes, das in der weichen Erde versickert war.
    Ja, das kenne ich ...
    Er holte tief Luft und roch das frisch geschlagene Holz in der kühlen Abendluft und den Salzgeruch des Meeres.
    Ein verborgenes Tor in seiner Erinnerung schien sich zu öffnen. Aber dann knisterte eine der Fackeln, und sein Bewußtsein kehrte in die Gegenwart zurück. Er schwankte und kniff die Augen zusammen, lächelte und nickte. Jetzt wußte Carausius mit Gewißheit, daß seine Gefühle für Britannien auf etwas anderem beruhten als auf der Erfüllung seines militärischen Auftrags. Er schuldete dem Land mehr als nur die Hoffnung auf Ruhm und Siege, die er als Befehlshaber der Römer erringen mochte. Sein Herz war mit Britannien verbunden. Er würde dieses Land nicht nur aus Ehrgeiz, sondern aus Liebe verteidigen.
    Dierna machte eine Handbewegung, und eine der jungen Priesterinnen, sie hieß Teleri, trat zu ihm. Sie verband die Schnittwunde mit einem weißen Tuch, das sie aus dem Gürtel zog. Dabei sah sie ihn ernst und aufmerksam an.
    Die Hohepriesterin machte ein Zeichen über der Stelle, an der sein Blut auf die Erde getropft war, und rief: »Allen, die in Frieden kommen, wird das Tor offenstehen!« Sie hob beschwörend die Hände: »Aber für alle Feinde wird es auf immer verschlossen sein!«
    Sie wandte sich nach Osten, und wie als Antwort erschien die Mondsichel als ein silberner Schild über dem Hafen.

    Am nächsten Tag lud Cerialis die römischen Offiziere zu einem Fest an das Ufer. Dierna stand unter einer Eiche und sah zu, wie die Diener Tafeln und Bänke aufstellten. Es dauerte nicht lange, und die römischen Gäste trafen ein.
    Carausius trug zu Ehren des Gastgebers eine weiße, rot eingefaßte Tunika; Sandalen und Gürtel waren aus rotgefärbtem Leder und hatten vergoldete Schnallen. Diesmal sah er wirklich wie ein römischer Befehlshaber aus. Aber am Abend zuvor, als sie das Gelände weihten, hatte er wie ein König vor ihr gestanden ...
    Dierna fragte sich, wie die Zeremonie auf ihn gewirkt haben mochte. Er hatte bestimmt nicht erwartet, von ihr persönlich in das Ritual einbezogen zu werden, aber er hatte sich nicht dagegen gewehrt. Es war nicht ihre Absicht gewesen, ihn mit seinem Blut an das Land zu binden, aber als er vor ihr stand, sah sie wieder den Mann auf dem Deck des vom Untergang bedrohten Schiffes. Er hatte den Elementen getrotzt. Er hatte die Kraft, das Unmögliche zu vollbringen. Nicht Steine oder Waffen konnten das Land schützen, sondern nur das Blut eines Mannes, der vom Schicksal dazu auserwählt war. Er war an das Land gebunden, und auch die Göttin hatte ihm den Auftrag gegeben, IHR zu dienen. Aber verstand er wirklich, worum es eigentlich ging? Von ihm wurde etwas anderes verlangt, als nur ein römischer Befehlshaber zu sein. Dieses ›Etwas‹ sollte ihn dazu bringen, daß er die Aufgabe übernahm, die ihm durch die Herrin von Avalon übertragen worden war.
    Eine der Dienerinnen kam zu Dierna. Sie brachte in Honig ein gelegte Früchte, die den Hunger besänftigen sollten, bis das Festmahl begann. Sie bediente sich mit einem leichten Kopfnicken und sagte dann zu der jungen Sklavin: »Da noch etwas Zeit bleibt, werde ich ans Ufer gehen. Frage den römischen Befehlshaber, ob er mich begleiten möchte.«
    Dierna staunte über sich. Auch das hatte sie nicht gewollt. Die spontane Eingebung zeigte ihr, wie sie von der Kraft gelenkt wurde. Seit der Trance vor der Sommersonnwende war sie von den Göttern bei all ihrem Tun geführt worden. Wenn sie sich ihrem Willen öffnete, dann durfte sie davon ausgehen, daß es nicht ihr eigener Wille war, dem sie gehorchte.
    Der Navarch verhielt sich ihr gegenüber angemessen. Er achtete auf den gebührenden Abstand, als sie langsam am Ufer entlangspazierten. Aber er hielt sich nahe genug, um sie zu stützen, falls sie über einen der glatten Steine stolpern sollte. In seinen Augen lag jedoch eine wachsame Vorsicht, als nähere er sich einem Feind.
    »Du machst dir Gedanken darüber, auf was du dich eingelassen hast. Und du vertraust

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