Die Herrin von Avalon
Formation wie die Sterne des Großen Bären!«
Die anderen nickten, denn plötzlich sahen sie alle die Ähnlichkeit. Dann richteten sich ihre Blicke wieder auf Caillean.
»Aber was«, fragte Ambios, »bedeutet das?«
»Ihr wollt also auch etwas von meinem Wissen erfahren!« sagte die Hohepriesterin. Sianna wurde rot. Sie wurde getadelt, ohne den Grund dafür zu kennen. Gawen spürte die Spannung, ohne etwas zu verstehen.
Caillean drehte sich um und fuhr fort: »Der Große Bär weist die Richtung, um am weiten Himmelszelt den Herrscher aller Sterne zu finden. Es ist der Polarstern, der Stern, um den alle anderen am nördlichen Himmel kreisen. Dieser Stern ist für die Inseln unser Tor. Der Polarstern ist der Mittelpunkt des Himmels. Die Alten der Vergangenheit wußten um das Geheimnis der Sterne. Deshalb schufen sie auf der Erde Schreine und Heiligtümer, damit wir Menschen die Kräfte nie vergessen, die das Land und das Leben schützen.«
Gawen spürte, daß sie ihn ansah, aber er blickte hartnäckig hinaus auf die Sümpfe. Plötzlich lief ihm ein kalter Schauer über den Rücken. Die geheime Welt seiner Träume schien ihm wieder einmal so nah und vertraut, daß er sich mehr denn je danach sehnte.
Nachdem die Hohepriesterin den Unterricht beendet hatte, blieb er nachdenklich im Schutz der dichten Weiden am Ufer zurück. Er hoffte, ungestört mit Sianna sprechen zu können, aber plötzlich hörte er Cailleans Stimme.
»Ich wünsche nicht, daß du noch einmal den Unterricht an dich reißt!«
Gawen spähte vorsichtig durch die Zweige und sah, wie Sianna verstört die Zurechtweisung über sich ergehen ließ.
»Aber du hast Fragen gestellt ... «, flüsterte sie blaß.
»Ich habe Fragen benutzt, um die Gedanken der anderen auf die Geheimnisse des Himmels zu lenken!«
Sianna erwiderte achselzuckend: »Du hast gefragt, ich habe geantwortet«, murmelte sie unglücklich und starrte auf den Boden. »Warum willst du meine Lehrerin sein, wenn dir nicht gefällt, was ich weiß?«
»Du bist mit größeren Kenntnissen des alten Wissens zu uns gekommen, als die meisten besitzen, wenn sie ihre Gelübde ablegen. Du könntest soviel weiter sein, wenn ... «
Die Hohepriesterin biß sich plötzlich auf die Lippen und verstummte. Sie holte tief Luft und fügte etwas ruhiger hinzu: »Du sollst bei mir das lernen, was du nicht weißt!« Nach diesen unversöhnlichen Worten drehte sie sich unvermittelt um und ging davon.
Als Caillean nicht mehr zu sehen war, verließ Gawen das Versteck unter den Weiden. Mitfühlend legte er den Arm um die Schulter der lautlos schluchzenden Sianna. Er war empört und ärgerte sich über Caillean. Und ihm wurde gleichzeitig bewußt, wie weich Siannas Körper war. Er atmete benommen den Duft ihrer seidigen Haare ein.
»Ich verstehe das nicht!« stieß Sianna schließlich hervor. »Warum lehnt sie mich ab? Wenn sie mich nicht hier haben will, dann sollte sie mich gehen lassen!«
»Ich möchte dich nicht gehen lassen«, flüsterte er. »Denke nicht an Caillean ... Sie hat viele Sorgen, und manchmal ist sie abweisender, als sie eigentlich sein möchte. Ich würde dir raten, ihr einfach aus dem Weg zu gehen.«
»Das versuche ich ja! Aber die Insel ist zu klein, und ich kann ihr nicht immer ausweichen.« Sianna seufzte und legte die Hand auf seinen Arm. »Ich danke dir. Wenn du nicht mein Freund wirst, würde ich davonlaufen, auch wenn Mutter mich bestimmt deshalb ausschimpfen würde!«
»In zwei Jahren wirst du zur Priesterin geweiht«, sagte er aufmunternd. »Dann bist du erwachsen, und sie muß dir mehr Achtung erweisen.«
»Dann wirst du deine Gelübde bei den Druiden ablegen ... «
Sie blickte ihm in die Augen. Er ergriff ihre Hand. Sie war kalt, wurde aber sofort warm. Plötzlich mußte er an das andere denken, was mit dem Erwachsenwerden kam, und er sah, daß sie rot wurde und sich plötzlich abwandte. In der Nacht, als er vor dem Einschlafen noch einmal über die Ereignisse des Tages nachdachte, wußte er mit unumstößlicher Gewißheit, daß an diesem Tag zwischen ihm und Sianna etwas Besonderes geschehen war. Sie hatten sich gegenseitig eine Art Versprechen gegeben.
Ein Jahr verging und dann noch ein Winter. Es regnete so viel, daß aus dem Tal von Avalon ein Schlammsee wurde. Beim kleinen Volk in den Sümpfen klatschten die Wellen gegen die Fußböden der Pfahlbauten.
Aber nur Hunger kann einen Jungen in Gawens Alter daran hindern zu wachsen ...
Caillean überließ sich solchen
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