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Die Herrlichkeit des Lebens

Die Herrlichkeit des Lebens

Titel: Die Herrlichkeit des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kumpfmüller
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doch, in der Nähe von Wien, etwa eine Stunde entfernt, nach Auskunft des Onkels mit einem ebenso erstklassigen Ruf wie Davos. Die Sache ist so gut wie beschlossen, sein Pass ist auf dem Amt, auch Dora soll sich um eine Genehmigung kümmern, obwohl er das nur andeutet, seine Hoffnung, dass sie bald bei ihm ist. Ja, Wien, das ist gut, antwortet sie, als wäre Wien seit jeher ihr Traum gewesen. Dabei werden sie die Stadt wahrscheinlich nicht sehen, und eine Genehmigung kann auch von österreichischen Behörden verweigert werden. Was soll ich sagen, schreibt sie, denn ein Anlass zur Freude ist es ja nur bedingt. Was immer sie gefreut hat, war in ihren drei Wohnungen, deshalb zählt sie ihm alles auf, die Silvesternacht im Bett, das Mädchen mit der Puppe, mein Gott, die Umzüge, ja, die Zimmer, die Tische, an denen er geschrieben hat. In einer Sofaritze hat sie einen Stift gefunden, sicher hat er ihn schon vermisst, mit diesem Stift schreibe sie ihm. Ihre Schrift verändert sich, hat sie den Eindruck, sie wird der seinen immer ähnlicher, der ganze Schwung, das Verspielte, und bei diesem Gedanken wird ihr fast leicht, als wäre es ein Beweis für ihre Verbindung, ihre bedingungslose Bereitschaft.
    Halb wartet sie, halb macht sie sich bereit. Sie stellt einen Einreiseantrag für Österreich, beginnt zu packen, die Sommersachen, die meisten Bücher, alles, von dem sie glaubt, dass sie es nicht mehr braucht. Wahrscheinlichmuss sie für ein paar Tage zu Judith, der März ist fast zu Ende, aber vielleicht entwickeln sich die Dinge ja schneller als gedacht. Sie beginnt sich zu verabschieden, trifft sich mit Paul, bespricht sich mit den Leuten vom Volksheim, dass sie nicht wisse, ob und wann sie wiederkomme. Paul bietet ihr seinen Keller zum Unterstellen an, sie kann jederzeit bei ihm wohnen, was sie höflich ablehnt. Selbst wenn Franz halbwegs gesund wird, ist nicht sicher, ob sie zurück nach Berlin geht. Selbst wenn er so viel Kraft wie im Herbst hätte, müsste man ja überlegen, ob sie nicht besser in Prag bleiben, in der Nähe seiner Familie, oder aufs Land ziehen, nach Schelesen oder wie immer all die Orte heißen, an denen er schon gewesen ist.

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3
    D ER O NKEL HAT SICH P ROSPEKTE vom neuen Sanatorium schicken lassen. Es liegt oberhalb des Dorfes Ortmann in einer hügeligen Landschaft, breit in den Hang gebaut, nach außen ein gepflegtes Hotel, aber innen sehr modern, mit großem Speisesaal, Salon, Musikzimmer. Erst vor wenigen Jahren ist die Anlage bis auf die Grundmauern niedergebrannt, deshalb weiß man nicht, ob die Fotografien das aktuelle Aussehen wiedergeben, was der Onkel aus unerfindlichen Gründen behauptet, er lobt das Haus in den höchsten Tönen und wirkt ein wenig verärgert, dass sich der Doktor über die neuen Aussichten nicht freut. Am Morgen hat er der Mutter eine Vollmacht zur Abholung des Passes ausgestellt, doch vor Ende der Woche ist mit einem Bescheid nicht zu rechnen, was für die Mutter Anlass zu mancher Sorge ist; sie freut sich, dass er da ist, aber es ist zu wenig Platz, alles ist durcheinander. Dazu kommt zu den unmöglichsten Zeiten Besuch, fast täglich Max, einmal Ottla mit den Kindern, die, weil sie sich langweilen, lärmend durch die Wohnung stürmen; Robert lässt sich sehen, Elli mit Valli und noch einmal Ottla.
    Mit Ottla ist es wie so oft am leichtesten. Sie finden auf Anhieb in den vertrauten Ton, träumen gemeinsam vom Land, damals in Zürau, als sich Ottla als Bäuerin versuchte und er einige Monate bei ihr lebte. Weißt du noch die Mäuse? Die Mäuse habe ich mit der Katze vertrieben,aber womit sollte ich die Katze vertreiben? Ottla und ihre Leute haben damals praktisch gehungert, im vierten Jahr des Krieges, doch sie erinnert sich oft und gerne an die Zeit und sagt, dass sie mal wieder hinmöchte, wenn es dir besser geht, im Mai, wenn du das Sanatorium hinter dir hast, zusammen mit Dora, wenn es richtig warm ist. Mach mir keinen Kummer, sagt sie. Dabei scheint sie selbst Kummer zu haben, die Ehe mit Josef ist schwierig, er ist viel weg, zieht sich zurück, auch von Vera und Helene, die sich ungefähr darüber beklagen. Wenn sie ihn besucht, legt sie sich halb zu ihm ins Bett, mit geschlossenen Augen, weil sie so angeblich besser denken kann, und irgendwann steht sie mit einem Ruck auf und geht, nicht ohne ihn zum Abschied zu küssen.
    Kommt Max, hört er ihn im Vorzimmer mit den Eltern sprechen. Max wird seit Jahren wie ein Mitglied der Familie behandelt, man ist voller

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