Die Herrschaft der Drachen 01 - Bitterholz
in dieser Bibliothek, dass ich das erste Wissen über Substanzen errungen habe, die den Tod beschleunigen können; müsste es dann nicht, entsprechend dem Gesetz schlichter Symmetrie, auch Gemische oder Rezepturen geben, die das Leben verlängern? Ich glaube, dass unsere Körper vervollkommnet werden können. Ich glaube, dass es möglich ist, ewig zu leben.«
Metron seufzte. »Ich bin alt, Blasphet. Als ich jünger war,
habe ich gelegentlich den Gedanken an ein Leben ohne Ende genossen. Leider rollen die Jahre vorbei. Der Körper bricht und verbiegt sich. Der Verstand wird von Tag zu Tag vernebelter. Das ewige Leben ist vielleicht gar kein Segen.«
»Ich weigere mich, das anzuerkennen«, sagte Blasphet. »Die Lebenskraft ist ein Geheimnis, ja, aber eines, das ich lösen werde. Ich werde nicht bereitwillig in die letztendliche Dunkelheit eingehen. Ich werde den Schlüssel des Lebens finden und die Tür zur Ewigkeit aufschließen.«
Metron nickte. Vielleicht war es möglich. Blasphet wirkte überzeugt davon. Dann knurrte der Magen des Biologen und verknotete sich. Der, der da sprach, war Blasphet. Der Schlächter, kein Philosoph.
»Das ist schönes Gerede«, sagte Metron. »Aber ich glaube kein Wort davon. Ich glaube, Ihr tötet, weil es Euch eine tiefe Zufriedenheit verschafft, die ich niemals verstehen werde. Ich glaube, all dieses Gerede über das Geheimnis des Lebens soll nur Eure bösartigen Handlungen verschleiern. Wenn Ihr wirklich glaubt, dass Ihr Euch auf einer edlen Suche befindet, täuscht Ihr Euch nur selbst.«
»Ihr glaubt, dass ich mich täusche? Heuchler! Ihr seid derjenige, der die Wahrheit kennt und dennoch die Lüge lebt. Die Zeit, die ich hier verbracht habe, überzeugt mich davon, dass diese Bücher keine Fälschungen sind. Ihr kennt die Wahrheit über den Ursprung der Drachen.«
Metron runzelte die Stirn. Wie viel hatte Blasphet gelesen? Wie viele der uralten Sprachen beherrschte er? »Glaubt nicht alles, was Ihr hier lest, Blasphet. Ihr macht einen typischen intellektuellen Fehler, der schon viele ansonsten hervorragende Schüler durcheinandergebracht
hat. Ihr vermutet, dass eine Information, nur weil sie alt ist, wahr sein muss.«
»Ihr seid in einer armseligen Position, zu mir über intellektuelle Fehler zu sprechen«, entgegnete Blasphet. Seine Stimme klang spöttisch. »Ihr habt drei Generationen von Königen beraten und ihnen gesagt, dass es natürlich ist, die Menschen zu töten, so wie die Natur es bestimmt hat, dass wir die überlegene Rasse sind. Wie könnt Ihr mit Euch leben?«
»Ihr seid kaum in einer Position, mir Schuldgefühle zu machen«, knurrte Metron. »Ich nähre die Mythen, die zulassen, dass die Drachenkultur erblüht. Ihr seid derjenige mit Blut an den Klauen.«
»Ja. Blut. Und Gift.« Blasphet hob seine Vorderklaue dicht vor Metrons Augen. Er bog die knochige Klaue und offenbarte die schwarze, teerartige Substanz unter den Nägeln. »Oder war das nur metaphorisch gemeint? Mit dem Ziel, dass ich mich reuevoll zeigen soll? Eure eigenen Lehren beinhalten die Doktrin, dass Organismen tun, was sie tun müssen, um zu überleben. Ich widme mein Leben diesem zentralen Prinzip. Wenn ich den Planet von allem Leben berauben muss, um meine eigene Unsterblichkeit sicherzustellen, dann ist das so. Ich werde deswegen keine einzige Träne vergießen.«
»Seid vorsichtig, Blasphet. Sonst wird Albekizan Euer wahres Übel erkennen. Ihr werdet Euch in Ketten wiederfinden«, sagte Metron.
»Übel? Was für eine kuriose Vorstellung, und unwürdig eines Gelehrten, wie Ihr es seid. Für den wahren Intellektuellen sind Gut und Böse ohne Bedeutung. Alles, was
wichtig ist, ist die Suche nach Wahrheit. Vielleicht kann Euer Jahrhundert der Gelehrtenschaft meine Suche beenden. Was ist die belebende Kraft? Was ist die Quelle des Lebens?«
»Was ich weiß, habe ich Euch gesagt«, erwiderte Metron. Er sah auf den Boden, wich Blasphets durchdringendem Blick aus. »Das Leben ist eine Flamme.«
»Ihr beharrt noch immer auf der Lüge?« Blasphet packte Metrons Gesicht, drehte es so, dass er ihn ansehen musste. »Wenn Ihr es wirklich nicht wisst, dann gesteht das. Ihr mögt nicht der intelligenteste Drache sein, der lebt, aber Ihr seid vielleicht der gebildetste. Gebt mir eine Antwort, oder ich werde eine einzige Kralle in Euren Hals stoßen und Euer erbärmliches Leben beenden.«
»Tötet mich, wenn Ihr müsst«, sagte Metron und versuchte, nicht zu blinzeln. »Ich weiß die Antwort nicht, die
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