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Die Herzen aller Mädchen

Titel: Die Herzen aller Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Geier
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Abwesenheit.
    … schlaf mein Kindchen, schlaf jetzt ein …
    »Nein«, seufzte der Kollege.
    … am Himmel stehn die Sternelein …
    Die Ärzte. Das waren die Ärzte.
    … schlaf mein Kleines, träume schnell –
    Er schaltete die CD aus. »Sie will Kinder.«
    »Komische Musik dafür«, sagte Bettina.
    Willenbacher fixierte starr die Straße. »Sie will es behalten«, sagte er dann.
    Oh, dachte Bettina. Oh. »Und du nicht?«, fragte sie vorsichtig Willenbacher machte eine unerwartet heftige Bewegung, sodass das Auto mit einem Ruck nach links zog. »Na, also bitte.«
    »Ist das so ungewöhnlich? Wolltet ihr nicht heiraten?«
    »Ich bin siebenundzwanzig«, murmelte Willenbacher.
    »Und?«
    »Na ja, weißt du.«
    »Meinst du, dein Leben ist zu Ende, wenn du Kinder hast?«
    Willenbacher sah nach dem Radio, nestelte an seinem Sitz, schaute wieder raus auf die Straße, überallhin, nur nicht zu Bettina.
    »Guck dich doch an«, sagte er dann zu seinem Tacho.
     
    Das Kloster Rosenhaag lag so versteckt, dass Willenbacher, so schätzte jedenfalls Bettina, es ohne das Navigationssystem niemals gefunden hätte. Es war nicht in Ramsen selbst, nicht einmal in der Nähe. Um es zu erreichen, musste man die Felder verlassen und auf einer kleinen Straße in ein düsteres Wäldchen eindringen. Wenn man dann meinte, dass die Baumgruppen sich endlich lichteten, bog mitten in einer engen Kurve ein dunkler und unbeschilderter Waldweg zu dem Kloster ab. Er führte noch ein gutes Stück tiefer ins Unterholz hinein. Bettina dachte schon, dass es in der Gegend doch überhaupt keine großen Wälder gab und sie vermutlich fehlgeleitet von der Stimme aus dem Navi Runden drehten, immer im Kreis um die Bäume herum, da öffnete sich das eintönige Gesträuch und ein strenges Gebäude, unmissverständlich sakral, wurde im eisigen Morgennebel sichtbar.
    »Wow«, machte Willenbacher ehrfürchtig.
    Bettina fand ihn total unausstehlich. Sein Baby war ihm nichts wert, andererseits musste er sofort niederknien, wenn sie es mit Kultur zu tun bekamen. Waren diese gedrungenen Bauten etwa auch wieder steingewordene Musik, Poesie, die sie nicht sah, wie der Kollege es einmal unfreundlich ausgedrückt hatte? Wieso glaubte er, dass sie etwas Schönes nicht erkannte, nur weil sie keine Kunsthochschule besucht hatte? Er ja übrigens auch nicht.
    »Schau doch!«, sagte Willenbacher und stieß sie aufgeregt in die Seite.
    Und da sah Bettina es auch: Aus dem Nebel funkelte, am Fuße der Kirche, malerisch vor einem knorrigen, blattlosen Baum geparkt, ein schwarzer Sportwagen, ein echter Kracher, glänzend und kantig und flach wie ein Mantelrochen.
    »Also ein Porsche ist das nicht«, sagte Willenbacher und hatte seine Tür schon auf.
    Bettina blieb sitzen. Sie war schuld. Ihr Beispiel als zweifache Mutter war so abturnend, dass ihr bester Freund (eigentlich war Willenbacher überhaupt ihr einziger) sein Kind nicht wollte.
    Der beste Freund indessen spazierte um die Erscheinung herum. »Ein Vector!«, rief er mit kindlichem Staunen in der Stimme. »Oder was meinst du?« Hemmungslos spähte der Kollege durch die Fenster ins Innere des Sportwagens.
    »Keine Ahnung.« Jetzt stieg sie doch aus. Die Windschutzscheibe war der Wahnsinn, die sah aus wie die glänzende Oberfläche einer Flüssigkeit, etwas Flüchtiges, das dank eines technischen Kniffs im Windkanal erstarrt war. Der schwarze Lack der Lamellen auf der Kühlerhaube vibrierte vor den stumpfen Farben des kalten Vorfrühlingstags; hier auf der schwer zerfurchten Erdscholle wirkte das rassige Gefährt beinahe so unwirklich wie ein Ufo.
    »Geil«, huldigte Willenbacher.
    »Ja.« Andächtig standen sie und schauten, doch bald schon bemerkte Bettina Schlammspritzer auf dem Lack. Auch die breiten Reifen waren schmutzig, und auf dem lederbezogenen Beifahrersitz lagerte ein ganz gewöhnlicher zerbrochener Blumentopf auf einer ziemlich schmuddeligen Plastiktüte und nebendran ein angerostetes Schäufelchen.
    »Komisch«, sagte sie.
    »… wurde nur zweimal gebaut«, sinnierte Willenbacher. »Oder ist das ein W8? Hat was von einem Lamborghini Countach. Aber natürlich schicker. – Was ist komisch?«
    »Wer nimmt so ein Auto mit hier raus und parkt es im Eisregen?«
    »Jemand, der es eilig hatte, herzukommen«, antwortete eine helle Stimme hinter ihnen.
    Das zur Stimme gehörige Gesicht war gleichzeitig Lächeln und Vorwurf. »Und das so grundlos. Sie haben mich dringend bestellt, und jetzt warte ich schon seit anderthalb

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