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Die Herzen aller Mädchen

Titel: Die Herzen aller Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Geier
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eingegraben, die würde sie verfolgen, das war der Fluch der Bildung: Wenn sie auch die Bedeutung der Worte nicht gleich erkannte, würde sie sich doch an den Satz erinnern. Schwerfällig trottete sie zurück ins Haus, das lateinische Wörterbuch suchen.
     
    »Das ist hübsch«, sagte Gregors etwas ungeduldige Stimme am Telefon. »Nimm den Himmel zum Geschenk: am Himmel wirst du als Sternbild zu sehen sein. Wirklich hübsch. Hab ich auch schon mal gehört. Kenn ich.« Er verstummte. »Wo hast du es her?«, setzte er desinteressiert hinzu.
    »Von einer Postkarte«, sagte Elisabeth ausdruckslos. Die Sache mit den Postkarten hatte sie ihrem Sohn nie näher erklärt. Das war nichts für ihn.
    »Hm«, machte Gregor. Seine Stimme klang hohl über das Handy, er sprach von einem Hotelzimmer aus. »Hör mal, Mama, hast du gestern Abend Fernsehen geguckt?«
    »Nein.«
    »Ich war in einer Talkshow.«
    »Ach je«, sagte Elisabeth, die keine Freundin von Talkshows war.
    »Ich hab da eine Frau Oberhuber getroffen, eine Wahrsagerin.« Gregor schilderte eindringlich, was geschehen war. »Sie hat ein Buch unter Papas Namen veröffentlicht«, schloss er. »In vollem Ernst. Und sie sagte, du hast ihr das erlaubt, Mama.« Er holte tief Luft. »Wie kann sie so etwas behaupten? Kennst du diese Frau?«
    Elisabeth schwieg.
    »Kennst du sie?«, fragte Gregor scharf.
    »Oberhuber«, sagte Elisabeth mit zittriger Stimme. »Oberhuber. Ja, ich glaube, da war mal ein Manuskript.«
    »Mama! Was hast du ihr gesagt? Was hast du ihr erlaubt? Hast du was unterschrieben?!«
    »Ach je«, sagte Elisabeth unglücklich. »Ach je. Sie hat das rausgebracht, ja. Aber es ist doch ein ganz kleiner Verlag.«
    Am anderen Ende der Leitung herrschte Schweigen. »Erstauflage einhunderttausend Stück«, sagte Gregor dann trocken.
    »Ach je«, sagte Elisabeth.
    »Hast du was dafür bekommen? Geld? Rechte?«
    Erbittert schüttelte Elisabeth den Kopf. Doch sie riss sich zusammen. »Tausend Euro vom Verlag. – Die Ölrechnung«, sagte sie betont einfältig. Gewöhnlich half es ihr, sich einfach dumm zu stellen. Einer älteren Hausfrau nahm das jeder ab, selbst der eigene Sohn. »Du weißt, im Herbst musste ich den Tank vollmachen lassen, und irgendwoher –«
    »Mama!«
    »Ach je«, sagte Elisabeth.
    »Ich komme«, beschloss Gregor. »Ich fahre jetzt sofort los und guck mir alles an, was du hast. – Konntest du wenigstens mit Dr. Herberger sprechen?«
    »Nein«, sagte Elisabeth kleinlaut. Eine Rücksprache mit dem Familienanwalt hatte sie wirklich vergessen.
    »Oh Gott, Mama!«
    Elisabeth dachte an die Postkarte in ihrem Mülleimer. Am Himmel wirst du als Sternbild zu sehen sein. »Das ist nicht hübsch«, sagte sie. »Überhaupt nicht hübsch.«
     
    * * *
     
    »Wir haben hier modernste Sicherheitsanlagen«, sagte Marny zu Bettina, vermutlich um höflich ein Thema anzuschneiden, das Polizisten interessierte. Sie war jung, sehr attraktiv, und sie benahm sich wie die Tochter des Hauses. Ungezwungen warf sie Kleidungsstücke über einen Stuhl, ihren Cordmantel, einen Schal, Handschuhe, dann richtete sie ihre braunen Haare und sah Willenbacher und Bettina wichtig an. »Sie brauchen eine Karte mit Chip, um die Türen zu öffnen, und für den inneren Bibliotheksbereich müssen Sie zusätzlich den Code wissen. Das große Magazin erreichen Sie nur über eine Iriskontrolle, und der Safe ist eine Spezialanfertigung. Mit eingebautem Klimaregler. Vierzig Prozent Luftfeuchtigkeit und zwanzig Grad Celsius. Konstant. Pergamentklima.« Zufrieden hob die junge Frau die Hände. »In den meisten anderen alten Bibs ist man froh, wenn die Türen schließen und das Dach den nächsten Winter übersteht. – Wissen Sie, wem wir den Verlust der wunderbarsten Schriften zu verdanken haben?«
    »Dem Feuer«, riet Bettina.
    »Der spanischen Inquisition«, sprach Willenbacher launig.
    »Tauben«, antwortete Marny. »Die hausen in den alten Dächern, kacken alles voll. Deren Scheiße ist das Schlimmste, was einem Buch passieren kann. Die frisst sich durch alles durch.« Anklagend schaute sie Willenbacher an, als betreibe der in seiner Freizeit einen Taubenschlag. »So, dann gucke ich mal nach unserem Kaffee.«
    Bettina nickte und sah sich um. Sie befanden sich in einem langen kalten Zimmer mit unbefeuertem Kamin. Bis auf einen riesigen Tisch und ein paar antiquarische Stühle war der Raum leer. Seine Wände strahlten weiß, die Fenster ragten hoch auf. »Ein ganzer Saal«, sagte Bettina, »nur

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