Die Herzen aller Mädchen
unterbinden oder zumindest die Weitergabe an den Spiegel verhindern. Die Informationen waren zweifellos hochbrisant und mit allen möglichen Sicherheitsvorkehrungen geschützt, doch für den Juristen Ritrovato schienen sie zugänglich zu sein. An seinem Arbeitsplatz in der Militäranwaltschaft, dem Palazzo Cesi, existierte offenbar ein Safe, der ein entsprechendes Dokument mit heiklen Inhalten enthielt. Ritrovato wollte es stehlen und an den Spiegel verkaufen. Worum es in dem Dokument ging, war aus der Akte nicht zu ersehen, da waren die schwarzen Balken unerbittlich. Doch nach allem, was Bettina verstand, war das Vorhaben ohnehin nicht unkompliziert. Die Verhandlungen zwischen Corinna Ritrovato und Georg Krampe zogen sich in die Länge, denn Signor Ritrovato haderte bald mit seiner Absicht, aus dem Hause, in dem er arbeitete, etwas zu entwenden. Der BKA-Agent verdächtigte den Juristen deswegen der Preistreiberei. Sein Bericht klang nun ein wenig ungeduldig. Ein paar Seiten lang erwog er seine Möglichkeiten, das gesuchte Papier selbst aus dem Palazzo zu stehlen. Die Absicht verwarf er jedoch. Dann wurden die Berichte knapper. Der Agent hatte die geheime Korrespondenz von Corinna Ritrovato und Georg Krampe auf den Rändern eines »alten Buches« entdeckt, und er äußerte sich ungläubig über den heißen Flirt, der sich da anbahnte, ja er vermutete sogar ein Täuschungsmanöver und fürchtete, entdeckt zu sein. Bald jedoch konnte er sich mit eigenen Augen von der Affäre überzeugen, und von da ab prognostizierte er in seinen Berichten nur noch verächtlich den Misserfolg des Unternehmens. Es verdross ihn spürbar, einem Liebespaar hinterherzuspionieren, umso mehr, je näher die beiden sich kamen. Schließlich beschränkte er sich darauf, die Termine der Stelldicheins zu protokollieren und danach jeweils erfolglos Krampes Hotelzimmer zu durchsuchen. Mit einiger Schadenfreude berichtete er wenig später von dem Eklat, den ein zufälliges Treffen der Familien Ritrovato und Krampe auf der Promenade des Lido di Ostia auslöste: Die Affäre wurde öffentlich, und den anschließenden Rosenkrieg ersparte sich der Agent mit den Worten: Man kann mit Sicherheit davon ausgehen, dass Signor Ritrovato seine Geschäftsbeziehungen zu Herrn Krampe nicht aufrechterhalten wird. Die Akte schloss mit bedauernden Bemerkungen und einer geschwärzten Spesenabrechnung.
Bettina hätte sehr gern sofort das Telefon zur Hand genommen und sich von Jaecklein persönlich erklären lassen, was unter den schwarzen Balken stand. Dann jedoch dachte sie, dass er es ihr vermutlich nicht verraten würde. Daher hängte sie noch den Rest des Arbeitstages dran, um zu ermitteln, was damals in Rom geschehen war.
»Jaecklein«, sagte Jaecklein nüchtern.
»Boll.«
»Oh.« Er klang erfreut. »Rufen Sie an, um mir zu erzählen, wohin Frau Ballier geflohen ist? Und womit?«
»Ich dachte, das wüssten Sie vielleicht.«
»Kein bisschen. Aber«, sagte Jaecklein feierlich und entschädigte sie damit für die Funkstille der letzten Tage, »wenn irgendwer das rauskriegt, dann Sie, Frau Boll. Sie sind im Besitz der Wahrheit.«
Bettina freute sich.
»Also? Nur ein Tipp?«
»Kann Marc Schneider Ihnen das nicht sagen? Wo er doch jetzt sowieso nichts mehr zu tun hat außer reden?«
»Der flennt nur und sagt wenig. Ziemlich abenteuerliches Zeug noch dazu.«
»Seinen Auftraggeber muss er aber kennen.«
»Den hat er nie gesehen.« Jaecklein seufzte. »Angeblich hat er irgendwann einen Brief gekriegt mit fünfhundert Euro als Appetizer und der Aufforderung, ans Telefon zu gehen, wenn’s nachts um elf klingelt. Das hat er gemacht, und dann auch noch alles andere, was Charlie von ihm wollte.«
»Charlie? Ein Mann?«
»Tja. Wer weiß. Eine elektronisch verzerrte Stimme. Sagt Schneider. Sie hat ihn gefragt, ob er eine halbe Million verdienen will. Erst hat er es für einen Scherz gehalten, aber dann hat er wohl noch mal fünfhundert gekriegt. Und er wusste ja, was für ein Schatz in der Bibliothek lag. Am Ende hat er den Auftrag angenommen. Dafür sollte er während der Party ins Haus spazieren, auf dem Dachboden abwarten, bis alle schliefen, und dann Ritters Schlafraum finden – das war kein übermäßiges Problem für ihn, denn er kennt das Haus. Schneider war von Anfang an bei der Renovierung dabei. Er hat einfach mit dem schönsten und größten Zimmer begonnen und gleich Erfolg gehabt. Wie er es beschreibt, war alles unheimlich leicht. Eine Nacht auf dem
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