Die Herzen aller Mädchen
fast stramm.
»Was macht der Herr Krampe?«, fragte Syra, ohne eine Begrüßung abzuwarten.
»Wird nervös«, sagte Bettina.
»Warum?«, fragte Syra.
»Ich bin mir nicht sicher«, sagte Bettina ehrlich. »Frau Syra, ich würde wirklich gerne nach Darmstadt fahren, um mir das Haus von Frau Krampe anzusehen. Bitte. Das halte ich für elementar.«
»Frau Boll«, sagte Syra, »wenn Sie kein Vertrauen in die Kollegen haben, können Sie diese Arbeit nicht machen. Sie bekommen sämtliche Berichte. Das reicht. Konzentrieren Sie sich auf die Bibliothek.«
Bettina seufzte. »Ich kann dort nichts ausrichten«, klagte sie. »Ich finde kaum einen Vorwand, um hineinzukommen. Ich habe mit Herrn Krampe über die Bombe gesprochen, und ich habe ihm gesagt, dass sein Ovid-Manuskript vielleicht bald dahin zurück muss, wo es her war, und beides hat ihm nicht gefallen, aber Informationen hat das nicht gebracht. Er hat sich nur komisch benommen. Wenn ich wirklich rauskriegen soll, was passiert ist, muss ich raus aus der Bibliothek und mit den Leuten in Darmstadt reden. Ich will das Haus sehen. Ich will mir die Kiste angucken, in der der Sprengsatz lag.«
»Sie bleiben in der Bibliothek.«
»Ich weiß nicht, was ich dort soll«, sagte Bettina heftig, und es war ihr egal, dass sich das aufsässig anhörte. Sie war so müde und genervt, dass sie ein Rausschmiss beim BKA auch nicht mehr geschockt hätte. »Ich kenne mich mit all dem Bücherkram nicht aus, ich stehe die meiste Zeit total dumm da, ich kriege ständig die Türen vor der Nase zugeschlagen, und ich habe nicht das kleinste Druckmittel gegen irgendwen. Im Grunde fahre ich dorthin, werde rausgeschmissen, fahre wieder nach Hause und das war’s.«
Syra blieb längere Zeit stumm. Jetzt isses vorbei, dachte Bettina und ärgerte sich doch über ihre Ehrlichkeit, jetzt wird sie sagen, na gut, wenn Sie selbst meinen, dass Sie fehl am Platze sind …
»Sie sollen«, sagte Syra da überraschend freundlich, »genau das tun, was Sie gerade machen, Frau Boll. Sie sollen anwesend sein, sich umgucken und ein bisschen bohren. Mehr wollen wir gar nicht von Ihnen. Sie sind doch nur eine Halbtagskraft. Sie müssen den Fall nicht alleine lösen. Sie sollen sich mit den Ermittlungsergebnissen beschäftigen und zusehen, dass wir keine naheliegenden Verbindungen übersehen. Das mit dem lateinischen Sternbild, Frau Boll, das machen Sie mit der gesamten Akte. Deswegen kriegen Sie die ja. Das Lesen schaffen Sie in einem halben Tag, oder nicht? Außerdem sollen Sie noch den Herrn Krampe im Auge behalten und ihn ein wenig unter Druck setzen. Das scheint bislang alles hervorragend zu klappen. Frau Ballier ist voll des Lobes über Sie.«
»Tatsächlich?«, sagte Bettina.
»Frau Boll«, sagte Syra, »ich weiß, vorher haben Sie selbstständig Ermittlungen geleitet, und es ist nicht leicht, so eine Verantwortlichkeit wieder abzulegen, aber trauen Sie sich wirklich zu, meine Arbeit zu machen?«
»Im Moment nicht«, sagte Bettina finster. Am anderen Ende der Leitung hörte sie ein kleines Hüsteln, das fast belustigt klang. »Wie haben Sie denn den ehemaligen Standort des Manuskriptes gefunden?«, fragte Bettina rasch, bevor Syra einfach wieder plötzlich auflegen konnte.
»Wir prüfen das noch«, war die Antwort. »Aber die Spur ist vielversprechend.«
»Und wo führt sie hin?«, fragte Bettina.
»Vermutlich in eine kleine Bereichsbibliothek der Sapienza, das ist die größte Universität von Rom.«
Etwas raschelte am anderen Ende. Bettina fragte sich plötzlich, was Syra gerade machte. Vielleicht saß sie auf einer warmen Piazza, trank einen Cappuccino und wickelte einen Keks aus? Oder sie hockte in einem kahlen Hotelzimmer und zog ein billiges Sandwich aus Cellophan? Bettina hätte nicht entscheiden können, was wahrscheinlicher war. »Wie sind Sie darauf gekommen?«
»An diesem Fall arbeiten viele fähige Leute, Frau Boll.« Es raschelte wieder. Bettina war plötzlich überzeugt, dass Syra alleine war. Die Frau Kriminalrätin saß in einem Hotelzimmer oder einem Taxi zum Flughafen und langweilte sich. Sonst würde sie nicht auf diese Art mit Bettina reden. »Wir haben herausgefunden, dass Georg und Elisabeth Krampe im Sommer 1966 nach Rom gereist sind. Es war ihre Hochzeitsreise. Krampe war damals noch freier Journalist. Er arbeitete für verschiedene Zeitschriften.«
»Aha«, sagte Bettina.
»Es sieht so aus, als hätte Krampe einen Rechercheauftrag vom Spiegel gehabt. Man weiß nicht,
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