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Die Herzen aller Mädchen

Titel: Die Herzen aller Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Geier
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die gerade eine umwerfende Schlussfolgerung gezogen hatte und jetzt Bestätigung brauchte. Nur weil sie sonst rein gar nichts tun konnte und der Computer so neu war, öffnete sie die Datei. Die aber hatte es in sich. In wenigen, nicht allzu komplizierten Sätzen stand da, dass der Polizeifotograf es mithilfe ultravioletten Fluoreszenzlichts geschafft hatte, die Schrift auf dem verkohlten Packpapier der Bombe lesbar zu machen:
    … nna Oberhuber
    … ochushof
    97437 Haßfurt
    Bettina sank auf ihren Stuhl und merkte erst in diesem Moment, dass sie die ganze Zeit gestanden hatte. Sie war gut. Sie schaffte es auch ohne Fluoreszenzlicht. Leider aber, dachte sie dann, war sie einen Tick zu langsam gewesen. Vielleicht war der Fall schon gelöst, und sie hatte Syras Mailbox umsonst mit dringenden Arbeitsanweisungen vollgetextet. Leicht beklommen überlegte Bettina, wie ihre aufgeregten Meldungen geklungen hatten. Fachkundig? Ernsthaft? Oder doch eher überdreht und selbstherrlich?
    Letzteres, sagte ihr eine innere Stimme. Sie vergrub ihr Gesicht in den Händen und hörte die automatische Tür der Schleuse. Die Ballier, dachte sie und hob den Kopf.
    Doch es war die Dame, die sie hereingeführt hatte. Sie trug einen blonden Pagenkopf und wirkte hanseatisch-vertrocknet. »Herr Krampe wird heute nicht mehr kommen.« Mit unverhohlener Neugier linste sie auf Bettinas Laptop, wo noch die Seite mit dem Pyro-Bericht prangte. »Er hat soeben angerufen.«
    »Ach«, sagte Bettina und klappte den Computer zu. »Ist er krank?«
    »Er musste geschäftlich verreisen.«
    »So plötzlich?«, fragte Bettina argwöhnisch.
    »Das war schon länger geplant«, war die Antwort.
    »Wohin?«
    »Nach Pisa.«
    »Was macht er denn da?«
    »Soviel ich weiß, geht es um ein Buch.« Die Hanseatin verzog ihren Mund zu einer Art Lächeln, das hauptsächlich aus gespitzten Lippen und einem ironischen Funkeln in ihren wasserblauen Augen bestand.
    »Das er dorthin zurückverfolgt?«
    »Das er möglicherweise für uns erwerben wird«, antwortete die Hanseatin mitleidig. »Wir sind eine Bibliothek mit Kapazitäten.«
    Sie sahen sich an.
    »Wann kommt er denn wieder?«, fragte Bettina.
    »Morgen Nachmittag voraussichtlich.« Ein auffordernder Blick traf Bettinas Akten: Räum das weg und verzieh dich. »Sie werden ihn aber vermutlich erst nächste Woche wieder hier antreffen«, setzte sie schadenfroh hinzu. »Ob er am Freitagabend noch mal reinschaut, ist fraglich.«
    »Okay«, sagte Bettina und stopfte ihre Papiere schwungvoll in die schäbige Tasche zurück. »Würden Sie mir bitte sein genaues Reiseziel nennen?« »Ich weiß nicht«, sagte die Blonde mit herablassendem Misstrauen.
    Bettina holte ihren Polizistinnenausweis hervor.
    »Ich weiß es wirklich nicht«, sprach die andere gereizt. »Er ist irgendwo in der Nähe von Pisa.«
    »Hat er seinen Flug und sein Hotel selbst gebucht?«
    »Ja, macht er immer.«
    Bettina packte ihr Laptop ein und schwieg abwartend.
    »In Pisa steigt er im Giotto ab. Und der Antiquar, bei dem wir gewöhnlich kaufen, heißt Venturi. Leicht zu finden. Unmittelbar neben dem Campo Santo. Soll ich Herrn Dr. Krampe bestellen, dass Sie ihm nachreisen?« Wieder standen die wasserblauen Augen voll gepflegter Ironie.
    »Danke, falls nötig, werde ich ihn überraschen.«
    »Bestimmt nicht«, versetzte die Hanseatin darauf trocken.
    »Falls nötig, wird der Herr Doktor Sie erwarten.«
     
    * * *
    Lisa träumte. Die See war träge an diesem Tag, glatt und brackig. Und tiefblau. Nie war dies Meer heller als sein Himmel gewesen, es nahm nicht den Schein an, der die Strände in der schweren Luft der Tropen so unwirklich und exotisch machte. An diesem Meer wusste man, woran man war. Lisa erkannte es. Das Wasser, das Kleid, das sie trug, und die Hitze des Sommertags. Das kleine Mädchen, das am Ufer stand. Das Kind war verstört. Seine Locken waren nicht mehr frisch gekämmt, sein Lächeln verschwunden, doch nicht ganz dahin. Man konnte es wiedererwecken. Denn das Mädchen lebte noch nicht lange in diesem ungekämmten, vernachlässigten Zustand. Ihre Schönheit war unversehrt. Ans Alleinsein glaubte sie noch nicht. Komm, wir spielen Ball, sagte Lisa. Das Mädchen nickte. Lisa ließ den Ball auf ihrem ausgestreckten Zeigefinger kreiseln. Da lächelte das Kind und folgte ihr.
     
    * * *
    »Frau Boll!«
    Kaum stand Bettina in der kalten Luft des Klosterhofs, da stürzte Ballier schon auf sie zu. »Kommen Sie mit!«, zischte die Agentin und zog sowohl

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