Die Herzen aller Mädchen
aus«, sagte sie immer noch abwehrend. »Wie altes Blut.«
Sie erntete einen ernsten Blick. »So soll es ja auch aussehen. Dunkel, wenn das Licht reflektiert wird, aber klar und leuchtend, wenn es hindurchscheint. Schreibt Plinius. Purpur changiert. Das ist sein Geheimnis.«
Widerwillig schaute Bettina etwas näher hin. Sie sah zwei Menschen, die Spaß hatten. Und ein zurückgeschlagenes Gewand in Dunkelrot. »Es changiert nicht.«
»Weil es gealtert ist. Und vor allem, weil es sich um eine Fotografie handelt. Kommen Sie, ich zeige Ihnen das Original.«
»Ich glaube, das sollten wir nicht anfassen«, sagte Bettina mit einem Blick auf den finsteren Gorilla.
»Machen Sie sich keine Sorgen.« Der Herr versetzte ihr einen überraschenden kleinen Schubs, und schon fand sie sich auf dem Podest vor dem Pult wieder. Dort blätterte er nachlässig in dem Schatz, der mit so viel Mühe präsentiert war, unter einem Kegel aus weichem Licht auf schwarzem Samt und mit kostbaren keilförmigen Buchstützen, die verhinderten, dass das Buch ganz aufgeschlagen wurde.
»Muss man da keine Handschuhe anziehen oder so was?« Bettina sah sich nervös nach dem Wächter um, doch der hatte eine verbindliche Miene aufgesetzt und schaute in die Luft.
»Nein, nein«, sagte der Herr zerstreut. »Pergament ist unverwüstlich. Das ist ja das Gute daran. Wo war es denn – hier.« Er schlug eine braune, weiche, sehr schäbig aussehende und (für Bettina) unleserlich beschriftete Seite um, klappte sie von innen nach außen auf – und vor ihnen erschien ein Bild, wie Bettina noch keins gesehen hatte. Auf dem altersfleckigen Untergrund standen leuchtende Farben, die so flächig aufgetragen waren, dass sie fast plastisch wirkten. Abgetönt oder gemischt war fast nichts, und dennoch erschien die Malerei alles andere als naiv. Das lag in gewissem Sinne am Motiv: Auf dem Bild vergnügten sich drei Paare, eins im Stehen vor einer Tür, eins in einem üppigen Bett dahinter und ein weiteres in einem offenbar weit entfernten prächtigen Gebäude. Das anregende Sujet hatte den Künstler allerdings nicht von seiner eigentlichen Arbeit abgelenkt. Die war unleugbar meisterlich. Und dann die Farben! Der Typ hatte recht. Diese Farben besaßen Tiefe und Schimmer, eine Lebendigkeit, die dem Betrachter sofort klarmachte, dass er etwas außergewöhnlich Kostbares vor sich hatte.
»Sehen Sie?«
Bettina nickte, schaute auf und blieb mit dem Blick an Krampe hängen. Der stand unter ihr, vor dem Podest, und sein Mund redete weiter zu den Partygästen, während seine Augen sie fixierten. »… entschuldigen Sie«, sagte er seinen Leuten.
Der ältere Herr neben Bettina dagegen war ganz in die Betrachtung des Buches vertieft. »Und das Bemerkenswerteste an diesem Bild–«
»… ist für die Naturwissenschaftler unter uns ganz klar die Anatomie des Herrn links.« Schon stand Krampe neben Bettina. »Frau Boll!« Er lächelte sie an. »Wie schön, dass Sie kommen konnten! Ich hoffe, Sie haben durchschaut, dass Dr. Ritter seinen Lieblingspurpurfleck absichtlich dort vorn hat aufhängen lassen. Von da aus kann er jede beliebige Dame bequem zu dieser idyllischen Szene locken.«
Alle drei warfen einen kurzen Blick auf die verschiedenen Schäferstündchen, dann tauschten die beiden Männer ein mehr oder minder freundschaftliches Zähnefletschen.
»Ich dachte mir schon, dass Sie der Gastgeber sind«, sagte Bettina zu Dr. Ritter, gab ihm die Hand und fragte sich dabei, wieso Krampe so verändert aussah. Er wirkte nervös. Und verkleidet. Vielleicht war es sein alter dunkelgrüner Pulli, der Bettina irritierte. Sie hatte den Kurator bisher nur im Anzug gesehen.
»Sie sind Naturwissenschaftlerin?«, fragte der blasse Dr. Ritter unterdessen.
»Ich arbeite mehr im angewandten Bereich.«
»Frau Boll ist fürs BKA hier«, verriet Krampe. »Man ist dort etwas in Sorge um die Kulturgüter unseres Landes.«
Dr. Ritters kurzsichtige Augen wurden argwöhnisch. Sofort sah er vollkommen unecht aus, als bleiche er sich die Haut und färbe sich die Haare und schneide sie sich dann selbst mithilfe eines Blumentopfs. Er trat einen Schritt zurück und holte Luft.
»Ich bin hier«, sagte Bettina und benutzte absichtlich Krampes Vornamen, »weil Sie mich eingeladen haben, Gregor. Rein privat.« Sie strahlte ihn an. »Sie wollten mir den Ovid zeigen«, setzte sie unschuldig hinzu, und das bedurfte angesichts der offen liegenden Bilder keines Kommentars mehr. Krampe verschränkte die Arme
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