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Die Herzen aller Mädchen

Titel: Die Herzen aller Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Geier
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schien nicht ganz geheuer, doch woanders als ins Kloster konnte man nicht hin. Es war das einzig Helle weit und breit. Die Sandsteinwände wurden flächig von unsichtbaren Spots bestrahlt, Fackeln beleuchteten den Vorhof, und aus der offenen Tür der Eingangshalle drang ein warmer Schein.
    Auf dem Parkplatz entstiegen derweil Menschen in Kaschmirmänteln dicken schwarzen Autos und wurden vom Parkwächter in Richtung Eingang komplimentiert. Bettina fragte sich, wo Ballier sein mochte. In der Nähe? Ihr Benz stand jedenfalls nicht auf dem Platz. Sie wartete ein Weilchen und genoss ihre neue Jacke. Die war so schön warm, dass sie am liebsten noch ewig hier gestanden und der Ankunft der Gäste zugesehen hätte. Doch dieses Zögern war pure Angst. Du gehst jetzt da rein, Tina, befahl sie sich. Und es funktionierte. Sie ging rein.
     
    Drinnen nahm man ihre warme Jacke und gab ihr dafür einen kalten Sekt, in einem hauchdünnen glänzenden Kristallglas, das sofort beschlug. Klaviermusik perlte.
    »Wie gut, dass sie nicht diese mittelalterlichen Träten haben«, sagte eine Dame zu ihrem Begleiter, der Bettina offen anstarrte.
    Sie lächelte ihm zu.
    »Verzeihung«, sagte er ohne die leiseste Verlegenheit und reichte ihr sofort die Hand. »Gauch, CDU. Sie erinnern mich an diese Schauspielerin. Sind Sie etwa …«
    Die Dame neben dem CDU-Mann setzte ein hübsches Lächeln auf, das zu freundlich war, um echt zu sein. Bettina lächelte ebenfalls und fragte sich, ob man hier zur Begrüßung seine Parteizugehörigkeit nannte.
    »Nein«, sagte sie. »Boll. Ich arbeite für die Polizei. Darum bin ich auch neutral.«
    Der Mann lachte schallend, seine Begleitung höflich. Bettina schüttelte ihr ebenfalls die Hand und erfuhr dabei auch ihren Namen sowie den weiterer Leute, mit denen sie sprach und trank, und stellte nach kurzer Zeit fest, dass eine Party mit wichtigen Leuten weit einfacher war, als sie gedacht hatte. Hier gab es keinen »Mädelstisch« wie auf den Richtfesten und Polterabenden ihrer Kollegen, wo sich überarbeitete Hausfrauen schweigend anstarrten, weil sie sich für nichts als die eigenen Kinder interessierten, während die Männer mit unverhohlenem Misstrauen (beziehungsweise unmäßig erfreut) reagierten, falls eine Unbekannte das Wort an sie richtete. Die wichtigen Leute mochten zu reich sein, zu mächtig und sonst was, aber sie beherrschten den Smalltalk. Bettina entspannte sich, stellte sich der Gastgeberin Frau Ritter vor und ging Krampe suchen.
     
    Sie fand ihn umringt von Bewunderern in dem hohen weißen Raum, der einst das Refektorium gewesen war. Allerdings war der Saal jetzt nicht mehr weiß, vielmehr strahlte er golden und festlich, wie von bloßem Kerzenlicht erhellt, obwohl nicht das kleinste Kerzlein zu sehen war. Der lange Tisch war verschwunden, stattdessen erhob sich an der Kopfseite eine Art Bühne, auf der ein schmales Pult von einem einzelnen Lichtspot in der Decke beschienen wurde. Vor diesem Pult sprach Krampe mit einer kleinen Gruppe von Menschen, die ihm gebannt lauschten. Nur der in tiefes Schwarz gekleidete Gorilla, der an der Seite aus dem dunklen Holz des Bühnenpodests wuchs, hatte keine Muße zum Zuhören. Er machte ein finsteres Gesicht, während er eifrig mit verschränkten Armen wachte. Die Wände zierten winzige, doch üppig gerahmte fotografische Ausschnitte aus den Ovid-Illustrationen: das Haupt der Medea, eine Hirschkuh mit angstvoll nach hinten gewandtem Kopf, eine Blume, verschiedene menschliche Körperteile, zuletzt ein kopulierendes Paar, das allerhöchstens zwei Quadratzentimeter maß.
    »Sehen Sie das Violett?«, fragte ein älterer Herr im dunklen Anzug, der plötzlich neben Bettina stand. Er blickte sie interessiert an. Seine Haare waren sehr schwarz, sein Gesicht rund und blass.
    »Nein«, sagte Bettina einsilbig. Sie mochte nicht mit einem Fremden eine pornografische Darstellung betrachten. Und violett war sowieso nichts an dem Bild, mit viel gutem Willen konnte man höchstens das hochgeschobene Kleid der Frau so nennen.
    »Das Gewand der Frau«, sagte der Herr und musterte Bettina mit wässrigen Augen. »Das ist Purpur.«
    »Aha«, sagte Bettina und wandte sich ab, um von der Intimität der winzigen Darstellung wegzukommen.
    »Ja, und Purpur an dieser neuralgischen Stelle ist einfach hochinteressant.«
    Bettina verstand nicht, was an dem Gewand neuralgisch sein sollte, und auch die Farbe schien ihr nicht wirklich spektakulär. »Für mich sieht das eher dunkelrot

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